Axel Milberg: „Düsternbrook“

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Der Schauspieler Axel Milberg ist den meisten Fernsehzuschauern (nur) als latent depressiver Kommissar Borowski aus dem Kieler „Tatort“ bekannt. Seinen typischen trockenen norddeutschen Humor lässt er in dieser Rolle leider nur selten aufblitzen. Nun zeigt er ihn in seiner Autobiographie, die sich mit seiner Kindheit und Jugend im Kieler Stadtteil Düsternbrook beschäftigt, und paart ihn mit ebenso angenehmer Bescheidenheit.

Düsternbrook ist bekannt als „besserer“ Stadtteil. Im Westen der Förde auf einer leichten Anhöhe gelegen, schaut es aus dichtem Baumbestand über das Wasser der Innenförde auf die gegenüberliegende Werftenlandschaft, deren Lärm und – eventueller – Qualm die breite Wasserfläche absorbiert.

Milberg kommt Mitte der 50er Jahre – genaue Jahreszahlen nennt er nur sehr selten – als Sohn eines Anwalts und einer Ärztin zur Welt. seine ersten Erinnerungen stammen noch aus der Vorschulzeit, beschränken sich jedoch auf die unmittelbare Umgebung seines Elternhauses. Schon früh lernt er den – seiner Mutter stets peinlichen und heute nicht mehr möglichen – Werbespruch seines Vaters kennen: „Kannst Du Deine Frau nicht leiden, geh zu Milberg, lass Dich scheiden“. Er wird ihn in diesem Rückblick noch öfter erwähnen. Auch einen handfesten Ehekrach seiner Eltern, den er zufällig mitbekommt, lässt er nicht aus.

Milberg kleidet diese Jugenderinnerungen offiziell in Romanform, lässt jedoch alle Namen seiner Familie und der unmittelbaren Umgebung stehen. Da sind seine Geschwister Hans und Manuela, beide offensichtlich älter als er, und da ist ein adliger Patenonkel, der mit einem Mann zusammenlebt und überhaupt recht extravagante Züge zeigt. Er hat den kleinen Axel außerordentlich beeindruckt.

Ansonsten geht es viel um die nähere Umgebung, u.a. die Bäckerei Iwersen oder die alte Frau Möller mit ihrem „Tante-Emma-Laden“ und ihrem seltsamen Sohn, der noch eine besondere Rolle in diesem Hörbuch spielt. Dann natürlich seine Klassenlkameraden, mit denen er zusammen per Fahrrad die nähere Umgebung von Düsternbrook und weiter erkundet. Mit seiner Mutter geht er schon als kleiner Junge in der Kieler Innenstadt einkaufen, beschreibt seine typische Langeweile bei solchen Ausflügen und seine kleinen Eskapaden in Gestalt von kindlichen Bewegungsausbrüchen über irgendwelchen baulichen Besonderheiten. Dabei beschreibt er fast wie nebenbei die Kieler Innenstand der sechziger Jahre.

Generell kommt die Mentalität dieser zeit in diesem Hörbuch sehr gut zzum Ausbruch: die noch preußisch angehauchte Bürgerlichkeit und Sparsamkeit der Eltern, die einfachen Familienvergnügen der Familie am Wochenende und die strapazierten Nerven seiner Mutter, die nur den Beruf der Hausfrau und Mutter von drei Kindern praktiziert, weil man in den sechziger Jahren noch nach der alten Rollenverteilung lebte.

Natürlich darf der Sport – hier das damals noch elitäre Tennisspiel – nicht fehlen. Der Düsternbrooker Tennisclub strahlte damals die Aura einer gesellschaftlichen Hochburg aus und war Traum vieler Tennisspieler vom Lande. Milberg erwarb hier die Grundkenntnisse des Tennissports, und wenn man seine spieltechnischen Kommentare ernst nimmt, muss er darin recht gut (gewesen) sein.

Auch die erste Liebe spielt eine große Liebe, wobei beide Seiten nach außen eine „coole“ Indifferenz zur Schau tragen, die sie nur selten aufbrechen, um die Reaktion der anderen Seite zu testen. Das ist sehr gut beobachtet und Milberg hütet sich davor, diese Phase aus der Sicht des Sechzigjährigen jovial zu belächeln. Er nimmt gerade diese erste scheue Liebe in seinem Rückblick sehr ernst, ohne sie sie pathetisch zu überhöhen.

Die eigentliche Liebe dieser Jugenderinnerungen gilt jedoch seiner Heimatstadt Kiel und speziell dem Stadtteil Düsternbrook, den er in seiner Erzählung noch einmal mit viel Wärme lebendig werden lässt.

Für den Rezensenten birgt dieses Hörbuch wegen der erstaunlichen Parallelen hinsichtlich Geographie, familiärer Konstellation einschließlich Beruf des Vaters und Charakter der Mutter sowie sportlicher Aktivitäten einen besonderen Erinnerungswert.

Das Hörbuch ist im Verlag Hörbuch Hamburg erschienen, umfasst vier CDs und kostet 22 Euro.

Frank Raudszus

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