Kristof Magnusson: „Ein Mann der Kunst“

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Kristof Magnusson hat sich bereits als Verfasser von „Das war ich nicht“ und „Ein Arztroman“ als treffsicherer satirischer Beobachter prägnanter Lebensbereiche ausgezeichnet. In dem vorliegenden Roman nimmt er jetzt den Kunstbetrieb sowie dessen Eitelkeiten und Egomanien aufs Korn.

Ein privates Kunstmuseum im Rhein-Main-Gebiet hat ein angrenzendes Grundstück geerbt und plant dort einen Anbau, der ausschließlich einem weltbekannten deutschen Künstler gewidmet sein soll. Die Mutter des Ich-Erzählers, seines Zeichens Architekt und damit künstlerisch zumindest angehaucht, verehrt den großen Maler, der sich seit Jahrzehnten als Eremit in einer Burg im Rheingau eingeschlossen hat.

Die Satire beginnt mit der ersten Sitzung des Fördervereins, die der Erzähler anstelle seiner dem Verein vorsitzenden Mutter wahrnehmen muss. In fein dosierten und perfekt formulierten Seitenhieben sowie elegant formulierten Sottisen bekämpfen sich die Vertreter des Museums und der geldgebenden Institutionen, sprich: Land und Bund. Man achtet nicht nur auf die eigene Handlungsvollmacht und Deutungshoheit, sondern zeigt en passant ein leicht ironisiertes Kunstverständnis – Macht schlägt Malerei! – und dem jeweiligen Gegenüber die eigenen – finanziellen – Folterwerkzeuge. Der Museumsdirektor, dessen geknickte Karriere direkt von einschlägigen Feuilletonmeldungen der FAZ inspiriert sein könnte, bemüht sich um eine Terminologie philosophisch-existenzieller Spannweite, die vor allem seine eigene Bedeutung hervorheben soll, und gibt ansonsten den entscheidungsfreudigen aber weit über dem Museumsalltag schwebenden Kunstexperten.

Leider muss er aber auch die – zahlenden – Mitglieder des Fördervereins befragen, denn ohne einen signifikanten Beitrag dieses Gremiums bleiben die tiefen Taschen von Bund und Land geschlossen. Also plant der Direktor eine Bildungs- und Kunstreise in den Rheingau mit verschiedenen Kunstzielen – Kloster und Kirche – mit dem Ziel einer Besichtigung des Künstlerateliers auf der Burg, die natürlich auf beiden Seiten – Künstler und Kunstverehrer – Begeisterung auslösen soll. Dumm nur, dass der Direktor vorher nicht die Zustimmung des Künstlers eingeholt sondern nur, dem Wunsche als Gedanken folgend, vorausgesetzt hat.

So kommt es zum großen Eklat, allgemeiner Niedergeschlagenheit und großem Weltschmerz. Die solventen Mitglieder des Vereins sehen sich dabei minder wertgeschätzt und drohen dröhnend mit Geldentzug. Da kommt der Ich-Erzähler ins Spiel, der ein gewisses Verständnis für den verstörten Künstler und dieser für ihn entwickelt hat. Ob dabei die beiläufig geäußerte homoerotische Orientierung des Ich-Erzählers eine Rolle spielt, lässt der Autor im Vagen. Jedenfalls schafft er es, noch einmal mit dem ganzen Verein an der Zugbrücke der Burg vorzufahren und ans Burgtor zu klopfen – et voilá!

Wir wollen dem Leser hier die Pointe des Buches nicht verraten, um das Leseinteresse zu erhalten. Nur soviel sei gesagt: der Autor umgeht die schwach aufleuchtende Gefahr, ins Gefühlig-Affirmative abzurutschen und legt ein furioses „Durchstarten“ von einem verständnisvollen Männerabend zum satirischen Höhepunkt des Buches hin.

Durchgehend gelingt es ihm, verschiedene Eigenarten des Kunstbetriebs treffend aufs Korn zu nehmen. Da ist der erfolgreiche Künstler, der seine eigenen Probleme mit seiner Berühmtheit hat und der Anbiederung des kunstsinnigen bzw. -besessenen Publikums ausgesetzt ist. Instinktiv spürt er, dass seine Verehrer einen knallharten Deal fordern: Verehrung gegen Augenhöhe, die ihre Sehnsucht nach Teilhabe am Glanz des Großen erfüllt. Und er weiß auch, dass mit der gewährten Augenhöhe die Verehrung verschwindet und die Aufdringlichkeit beginnt. Also stößt er alle vor den Kopf, um diesem Dilemma aus dem Weg zu gehen und gleichzeitig die Verehrung hoch zu halten.

Am Ende muss der Künstler erkennen, dass im Kunstbetrieb ALLES zur Kunst wird, selbst die befreiende Zerstörung der eigenen Werke. Die – (inter)nationale – Kunstkritik verwandelt Destruktion in De-Konstruktion und webt sofort ein eschatologisches Konzept darum herum. So endet eine eigentlich zerstörerische Aktion in einer einmaligen Sonderausstellung im New Yorker „Museum of Modern Art“. Da bleibt nur noch das wohlig-resignierte Zucken der Schultern übrig.

Das Buch ist im Verlag Antje Kunstmann erschienen, umfasst 337 >Seiten und kostet 22 Euro.

Frank Raudszus

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