Chris Kraus: „Scherbentanz“

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Jesko Solm kehrt nach zwanzig Jahren Abwesenheit zum Haus seiner Eltern zurück. Das Gebäude gleicht einer Festung, so viel Beton wurde verbaut. Aber das ist nur logisch, denn Vater Solm verdient sein geld mit der Herstellung von Zement. Das große, schöne Grundstück endet am Kolgensee. Dort liegt auch ein altes Bootshaus.

Jesko hat Krebs und braucht Stammzellen, um zu überleben. Der Vater kann ihm nicht helfen, deshalb machen sie die Mutter ausfindig, die seit zwanzig Jahren keinen Kontakt mehr zu Mann und Söhnen hatte. Sie hatte sich von ihrem Mann getrennt, nachdem dessen Geliebte im Haus ein und aus gegangen waren. Aber sie hat die Trennung nicht verkraftet und ist dem Alkohol verfallen. Im Vollrausch hätte sie damals sogar fast ihren kleinen Sohn Jakob umgebracht.

Während Jesko sich als Mode-Designer etabliert hat und in langen Rücken herumläuft, ist Ansgar in die Firma des Vaters eingestiegen.

Im Laufe des Romans erfahren wir viele Details eines komplett zerstörten Familienlebens, das bei allen Familienmitgliedern Spuren hinterlassen hat. Aber auch der martialische Vater hat sein Päckchen zu tragen, denn auf der Flucht aus dem Baltikum musste er mitansehen, wie sein Großvater erschossen wurde.

Trotz der desolaten Familienverhältnisse, der Wut, der Ängste und der Unsicherheiten nehmen die Familienmitglieder im Laufe der Handlung vorsichtig Kontakt zueinander auf, so dass die Familiengeschichte versöhnlich endet. Doch Jesko muss noch ganz andere Wege beschreiten, um an Stammzellen gegen seinen Krebs zu kommen.

Der Roman liest sich wie ein spannendes Psychogram. Die krassen Verhaltensweisen der Protagonisten erklären sich im Laufe des Romans wie von selbst, so dass der Leser mit seinen vielen Fragen nicht alleine gelassen wird. Es ist kein Buch, das man nach dem Lesen als erledigt weglegt. Es hinterlässt Spuren.

Das Buch ist im Diogenes-Verlag erschienen, umfasst 223 Seiten und kostet 22 Euro.

Barbara Raudszus

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