Alf Leue: „Der Fluch des Mechanicus“

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Ein historischer Frankfurt-Roman

Historische Romane haben sich in der letzten Dekade zu einer eigenen Literaturgattung entwickelt, verbinden sie doch Unterhaltung mit Informationen über verflossene Epochen und bedienen nebenbei – in vielen Fällen – auch das Bedürfnis nach einem nostalgischen Rückblick auf „gute alte Zeiten“.

Alf Leue hat diese Erkenntnisse in seinem Roman über das Frankfurt des frühen sechzehnten Jahrhunderts konsequent umgesetzt. Mehr oder minder geschickt verbindet er die typischen Roman-Elemente „Sex and Crime“ zu einer spannenden Handlung um eine Frankfurter Kaufmannsfamilie, die in Not gerät und von einem „edlen Ritter“ gerettet wird. Die Stärke dieses Romans besteht in der glaubwürdigen Schilderung des Lebens in deutschen Großstädten der beginnenden Neuzeit, die Schwäche in der teilweise hart an der Kitsch- und Klischeegrenze entlangschrammenden Handlung und einem teilweise schlichten Stil, der dem Ritter mal eine hohe Gestalt, mal einen festen, stolzen Blick zuschreibt. Man fühlt sich bisweilen an den Courths-Mahler und Kollegen erinnert.

Der Frankfurter Kaufmann Jokoff Cramer steht vor dem Ruin und investiert deshalb sein letztes Geld in eine angebliche „Gold-Maschine“, die der Jude Siebenthal nach einem geheimen antiken Dokument bauen will. Doch auch andere erfahren davon und nutzen ein Juden-Pogrom dazu, Siebenthal zu ermorden, Jokoff zu entführen und das Dokument zu entwenden. Hier kommt der Ritter Wolf von Besigheim ins Spiel. Als Berater des – weltläufigen und ehrbaren – Bischofs von Mainz sollte er die drohenden Judenverfolgungen in Frankfurt beobachten und wenn möglich unterbinden. Dabei erfährt er von dem Mord und der Entführung und beschließt, den Fall gegen den Rat des Frankfurter Bürgermeisters auf eigene Faust weiter zu verfolgen – nicht zuletzt wegen Cramers Frau Agnes.

Besigheim selbst ist Findelkind und leidet unter schrecklichen Träumen aus seiner Kindheit. Ein traumatisches Erlebnis hat ihm einst alle Erinnerung geraubt, doch der Leser weiß sehr bald aus verschiedenen Rückblenden, woher der „Ritter“, wie man ihn gerne bezeichnet, stammt. Dahinter steckt eine so dramatische wie schreckliche Familiengeschichte um einen guten und einen bösen Bruder und um ein Massaker an einer ganzen Familie.

Im Mittelpunkt des Romans steht die Suche nach dem entwendeten Dokument, hinter dem auch die Familie Medici aus Florenz her ist, die deshalb einen mit allen Wassern gewaschenen Italiener nach Deutschland geschickt hat. Natürlich treffen die beiden aufeinander und beobachten sich mit Argusaugen, da beide den Dieb des Dokuments suchen. Das Ganze eskaliert auf einer Reise nach Nürnberg, auf der Besigheim unwissentlich in seine alte Heimat kommt und auf seinen bösen Onkel trifft. Wie in einem Thriller üblich, entrinnt Besigheim nur mit Mühe dem Tod, erfährt von seiner Vergangenheit und schwört Rache. Auch der Dieb des Dokuments findet zusammen mit diesem in einem dramatischen „Showdown“ sein Ende, nachdem er den Italiener ins Jenseits befördert hat. Am Ende finden sich Besigheim – nun mit seinem richtigen Namen – und Agnes, sie erhält den Laden ihres Mannes zurück, der aus naheliegenden dramaturgischen Gründen an den Folgen der Entführung gestorben ist, und nur die Rache des Ritters an seinem bösen Onkel wird hinter den Schluss des Buches in eine spekulative Zukunft verschoben.

Die Beschreibung des täglichen Lebens in Frankfurt, die Enge der Judengasse und die Not des Lebens in dieser kommen in dem Buch sehr anschaulich zum Ausdruck. Auch die Beschwerlichkeit des Reisens mit Pferd und Wagen oder gar zu Fuß schildert Leue mit Liebe zum technischen und geographischen Detail. So dauerte die Fahrt mit dem Pferdegespann nach Mainz einen langen, beschwerlichen und durchrüttelnden Tag bei schlechten Straßenverhältnissen und miserablem Winterwetter, und die Reise nach Nürnberg nahm damals sogar gut eine Woche in Anspruch und war mit permanenten Gefahren aller Art verbunden.

Ansonsten wirkt die schlichte, auf einen vermeintlichen Publikumsgeschmack zugeschnittene Handlung aus Herz, Schmerz, Edelmut und Bosheit eher etwas peinlich. Man hätte auf die Schwarz-Weiß-Zeichnung der Charaktere – so die der „guten“ und „bösen“ Frankfurter Kaufleute – durchaus zugunsten einer etwas differenzierteren Darstellung verzichten können. Auch ohne die Klischees von Edelmut und Schlechtigkeit kann man einen historischen Roman spannend und glaubwürdig gestalten. Da muss der Held nicht unbedingt „edel, hilfreich und gut“ sein.

Das Buch ist im Societätsverlag unter der ISBN 978-3-942921-18-3 erschienen, umfasst 528 Seiten und kostet 14,80 Euro.

Frank Raudszus
 

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