Die Weite und das Nichts
Das Staatstheater Darmstadt inszeniert Anton Tschechows „Onkel Wanja“. Man könnte dieses seltsamerweise mit „Komödie“ bezeichnete Theaterstück auch anders, kürzer inszenieren. Die bewusst sparsam gehaltene Handlung ließe sich ohne Pause in gut einer Stunde über die Bühne bringen, nur müsste dann am Ende Onkel Wanja sich oder den Professor erschießen, um einer solchen „Tempo-Version“ den krönenden […]
Nassim Nicholas Taleb: „Der Schwarze Schwan“
Die Macht höchst unwahrscheinlicher Ereignisse. Ausgewachsene Schwäne sind weiß! Diese Erkenntnis hat sich in den Köpfen festgesetzt, auch wenn jemand mit statistischen Grundkenntnissen die Möglichkeit schwarzer Schwäne nicht völlig ausschließen würde. Die Sicherheit in der Beurteilung außergewöhnlicher Ereignisse basiert auf der so genannten „Gaußschen Glockenkurve“, die ein Maß für die Verteilung von Werten eines beliebigen […]
Rafael Chirbes: „Krematorium“
Roman über das heutige Spanien aus der Perspektive exemplarischer Archetypen. Ein Roman über einen einzigen Tag einiger ausgewählter Bewohner einer Stadt zu Beginn eines neuen Jahrhunderts. Eine Trauerfeier spielt eine zentrale Rolle, und die Welt wird aus der monologischen Perspektive der Protagonisten geschildert. Diese literarische Konstellation weckt natürlich Assoziationen wie „Leopold Bloom“, „Dublin“ und „Molly-Dialog“. […]
Große Oper in Darmstadt
Philipp Kochheim inszeniert im Staatstheater Verdis „Rigoletto“ Opern-Libretti leiden oftmals unter innerer Unlogik, Widersprüchen oder Handlungsbrüchen. Musik, Orchester und Sänger müssen dann die Ungereimtheiten des Textes wieder ausbügeln, was ihnen bei einer guten Inszenierung meist auch zur Zufriedenheit des Publikums gelingt. Da stellt es dann einen ausgesprochenen Glücksfall dar, wenn einmal das Libretto durch seine […]

Wer hat Angst vor Yasmina Reza?
Yasmina Rezas Dekonstruktionskomödie „Der Gott des Gemetzels“ im Münchner Residenztheater. Ein bekanntes Beispiel für die Chaos-Theorie ist der berühmte Schmetterling, dessen Flügelschlag irgendwo in China eine weltumspannende Katastrophe auslösen kann. Überträgt man diese Theorie vom global-physikalischen in den lokal-psychologischen Bereich, so landet man bei der Suche nach Beispielen fast zwangsläufig bei Yasmina Reza. Sie ist […]
Musiktheater – minimalistisch
Carl Orffs Oper „Die Kluge“ als Sylvestergala des Staatstheaters Darmstadt Wie gestaltet ein Theater die Sylvestergala, so es denn eine solche anbietet? Und was spielt man, um das Publikum in die richtige Feierlaune zu versetzen? Sicher nichts Trauriges, nichts Konfliktbeladenes – kurz: keine Tragödie. Auch kompakte, gehaltvolle Inszenierungen bieten sich nicht gerade an, da sie […]

Trilogie an einem Abend – eine Gratwanderung
Man könnte mit Ibsens „Peer Gynt“ problemlos drei Theaterabende füllen, nicht nur wegen der schieren Länge, sondern auch wegen der dreiteiligen Struktur dieses geradezu „faustischen“ Stücks. Doch aus nahe liegenden Gründen – wer schaut sich schon drei Abende lang norwegische Nationalsagen an? – hat die Dramaturgie entschieden, alle drei Teile in einer Inszenierung zusammenzufassen. Auch […]

Pucchinis Oper „Tosca“ auf der Seebühne der Bregenzer Festspiele
Was macht man als Regisseur, wenn man einerseits eine überdimensionierte (See-)Bühne und mehr als sechstausend Zuschauer zu „bespielen“ und andererseits ein psychologisches Drama zu inszenieren hat, dessen Höhepunkte in den zwischenmenschlichen Konflikten vor dem Hintergrund der elementaren Triebkräften Macht und Eros sich abspielen? Kann man die existentielle Auseinandersetzung zwischen zwei Menschen – ein typisches „Kammerspiel“ […]

Akrobatisches Solo für einen Schauspieler
Wenn ein Schauspieler einige Jahre erfolgreich an einem Theater gespielt, sich dort wohlgefühlt und schließlich die Gelegenheit zum Sprung an ein größeres Theater erhalten hat, so mag es sich ergeben, dass er sich bemüßigt fühlt, sich mit einer besonderen Darbietung von seinem Publikum zu verabschieden. Nicht immer bietet sich die Gelegenheit dazu, doch im Falle […]
Bewegende Interpretation der Gretchen-Tragödie
Charles Gounods Oper „Faust“ im Großen Haus des Staatstheaters Darmstadt Verdichtet man Goethes „Faust“ auf den reinen Handlungskern, so landet man beim Lore-Roman: älterer Mann aus der Oberschicht will es noch einmal wissen, schwängert ein junges (und armes) Mädchen und lässt sie mit dem Kind sitzen. Dass er hierzu der Hilfe des Teufels bedarf, ist […]