Katrine Engberg: „Glasflügel“

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Laut Edward Lorenz´ Chaostheorie aus den 60er Jahren kann der Flügelschlag eines Schmetterlings auf der einen Seite der Erdkugel einen Orkan auf der anderen Seite auslösen. Es kann sich demnach eine Dynamik zwischen Ursache und Wirkung entwickeln, wie sie dem Roman von Katrine Engberg zugrunde liegt.

Die Handlung spielt zwischen Montag, dem 9. Oktober, und Samstag, dem 14. Oktober. Es beginnt mit zwei bestialischen Morden an zwei Tagen in Kopenhagen. In einem Brunnen wird eine Frauenleiche gefunden. Sie weist mehrere akkurate Schnitte an den Pulsadern und in der Leiste auf. Offenbar hat der Mörder die Leiche erst ausbluten lassen und sie dann in dem Brunnenschacht versenkt.

Einen Tag später wird eine männliche Leiche im Gefion-Brunnen des Bispeberg-Hospitals gefunden. Sie weist ebensolche Schnitte auf wie die weibliche Leiche vom Vortag, und auch sie hat man vorher ausbluten lassen. Zum Ausbluten der Opfer wurde ein Schröpfmesser verwendet, wie man es früher benutzte, um Menschen zur Ader zu lassen. Warum werden die Leichen im Wasser abgelegt? Geht es hier um Ritualmorde? Will der Mörder oder die Mörderin eine Botschaft senden? Die ermittelnden Kommissare stehen vor einem Rätsel, doch die Zeit drängt, denn es folgen weitere Morde…

Neben der packenden Handlung erzählt Engbert aber auch viel über die dänische Gesellschaft. Kommissar Jeppe lebt in Trennung und muss sich außerdem um seine alternde Mutter kümmern, die ihn mehrmals täglich telefonisch zu erreichen versucht. Er hat zwar eine neue Liebe gefunden, aber will er sich wirklich auf die Erziehung zweier Mädchen einlassen, die die allein erziehende Freundin mitbringt?

Anette, ursprünglich Jeppes beruflcihe Partnerin, ist gerade in Elternzeit zu Hause und sollte sich eigentlich um ihr kleines Kind kümmern. Doch sie hat große Probleme, sich in ihre neue Rolle als Mutter zu finden. Heimlich, ohne dass Jeppe oder ihr Ehemann es mitbekommen, recherchiert sie auf eigene Faust und begibt sich dabei in Todesgefahr, was für den treu sorgenden Ehemann und das Baby eigentlich unerträglich ist.

Schließlich geht es noch um jugendliche Psychiatrie-Patienten, die nicht so versorgt werden, wie es sein sollte, bis der Selbstmord eines jungen Mädchens eine Lawine auslöst.

Katrine Engbert hat einen gut recherchierten Kriminalroman geschrieben, den man vor Spannung kaum aus der Hand legen kann. Doch geht es nicht nur um Spannung, sondern der Roman problematisiert darüber hinaus gesellschaftliche Versäumnisse und Profitgier, die uns alle angehen. Der Flügelschlag eines Schmetterlings kann im bildlichen Sinne tatsächlich eine Katastrophe auslösen.

Das Buch ist im Diogenes-Verlag erschienen, umfasst 424 Seiten und kostet 20 Euro.

Barbara Raudszus

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