Peter Henisch: „Großes Finale für Novak“

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Roman über das opernhafte Ende einer Ehe

Novak ist Postbeamter in einer österreichischen Kleinstadt im Gürtel der Großstadt und führt eine eher schlechte als rechte Ehe mit der rechthaberischen Hertha, einer Friseurmeisterin. Das Leben der beiden hätte so bieder-ereignislos bis zum natürlichen Ende weiterlaufen können, hätte Novak nicht mit einer akuten Gallenkolik ins Spital gemusst, wo man ihm ansehnliche Gallensteine herausgenommen hat. Nun ist er mit dem Gerede, der schrecklichen Musik und dem Schnarchen seines Zimmernachbarn konfrontiert und lässt sich von der hübschen indonesischen Krankenschwester Opernkassetten als Gegenmittel gegen den Zimmerlärm geben. Auf diese Weise kommt der brave Novak, dessen Musikgeschmack nie über handfeste Volksmusik hinausging, zu dieser ungewohnten Art der Musik und lässt sich von ihr faszinieren. Zurück zu Hause, wird er von der Post in den Vorruhestand verabschiedet und geht nun seiner neuen Liebhaberei tagsüber nach, wenn Hertha in ihrem Friseursalon arbeitet. Doch eines Tages überrascht sie ihn bei diesem Laster, ist empört über die „abartige“ Musik und vermutet sofort die hübsche Krankenschwester dahinter, die ihr schon bei ihren Besuchen verdächtig (hübsch) vorgekommen ist.
An einem der nächsten Tage geht sie ins Krankenhaus und spricht direkt den Oberarzt auf „diese Zustände“ an. Als Novak davon erfährt, zieht er seine Konsequenzen und in eine kleine Pension in der Stadt, wo er seine Opernmusik hört. Doch irgendwann verfällt er dort in Depressionen und lässt sich schließlich von seiner Frau wieder nach Hause holen, wo er anfangs wieder in seinen alten Trott ohne Opernmusik fällt. Zufällig erfährt er aus der Korrepondenz seiner Frau, dass sie in einer Anzeige bei der Polizei das Gerücht gestreut hat, die Krankenschwester gehe nebenher einem anderen, einträglicheren Beruf nach. Daraufhin ist diese – wegen lächerlicher Melde-Versäuminisse – erst entlassen und dann abgeschoben worden. Novak ist entsetzt und spricht nicht mehr mit seiner Frau. Diese hat jedoch bereits einen gemeinsamen Urlaub in den Süden gebucht und beschließt, ungeachtet der Weigerung ihres Mannes mitzufahren, die Reise alleine anzutreten. Während Novak im Hause nach anderer Musik sucht, findet er in dem Zimmer seines längst ausgezogenen Sohnes nicht nur die härteste Punk- und Rock-Musik, sondern auch eine geladene Pistole, die er sicherheitshalber an sich nimmt, bevor er sich wieder einer Aufnahme von „La Traviata“ widmet. Seine Frau muss mittlerweile feststellen, dass alle Flüge wegen einer Terrorwarnung gestrichen sind, und nimmt das nächste Taxi nach Hause. Dort trifft sie auf ihren „La Traviata“ hörenden Mann und rastet buchstäblich aus. Die Pistole auf dem Tisch entdeckt sie jedoch zu spät….
In der letzten Szene wandert Novak alleine auf eine Anhöhe im Wald, bewaffnet mit einem CD-Player und diversen Opern-CDs, und harrt der Dinge, die da auf ihn zukommen werden.
Henischs Roman wird im Klappentext als eine Hommage an die Oper und die großen Gefühle beschrieben, die diese auslöst. In Wirklichkeit ist es aber eher ein Roman über eine schreckliche Ehe, in der – ein seltener Fall heutzutage – die Frau sehr schlecht wegkommt. Novak ist eher ruhig und harmoniebedürftig und lässt Hertha viel durchgehen bei ihren Meinungen und Standpunkten, weil er die Erfahrung gemacht hat, dass jeder Widerspruch nur ihre Streitlust weckt. Hertha selbst ist die Verköperung des Ressentiments gegenüber allem, was sie nicht kennt: Opernmusik und Ausländer, vor allem die mit anderer Hautfarbe. Mit geradezu diabolischer Lust heizt sie ihre Ressentiments in inneren Monologen und im Gespräch mit guten Freundinnen auf, um dann so gestärkt zur Tat zu streiten, das heißt, Maßnahmen gegen diese „ausländischen Schmarotzer“ einzuleiten, die brave österreichische Ehemänner zu abartiger Musik und zu wer weiß welchen Abartigkeiten verführen. Henisch lässt an dieser Person kein gutes Haar und schildert sie derart realitätsnah, dass man reale Vorbilder dahinter vermuten muss.
Der Autor verhält sich insofern politisch inkorrekt, als er eine Frau zur Unperson erklärt und ihr alle die Ressentiments andichtet, die normalerweise in der Bevölkerung gleich verteilt sind. Das bedeutet natürlich nicht, dass es solche Frauen nicht gibt. Doch in diesem Roman sind die Rollen halt etwas einseitig verteilt. Da ein Roman jedoch kein Lehrbuch für „political correctness“ ist, übt der Autor hier nur sein Recht auf poetische Freiheit aus. Das verknüpft er mit einer gradlinigen und teilweise deftigen Beschreibung des Alltags in einer österreichischen Kleinstadt, die sich natürlich ebenso gut in Deutschland befinden könnte. Die Nachbarschaft mit der Neugier und ihren Gerüchteküchen bekommt dabei genau so ihr Fett ab wie die lärmhaltige Manie der wochenendlichen Gartenarbeit. Doch im Mittelpunkt stehen alle kleinbürgerlichen Vorurteile und der Hass gegen alles Andersartige, hier verdichtet in der Person der Hertha.
Die Schwäche des Romans liegt einerseits in seiner Struktur: nach Novaks Auszug in die große Stadt kommt der Spannungsbogen erst einmal zum Erliegen, und der Autor muss ihn erst wieder aufbauen. Eine einzügige Dramaturgie hin zum bitteren Ende wäre schlüssiger gewesen. Andererseits bleibt das Thema beschränkt auf die beschränkte Ehefrau. Über Opern, ihre Musik und ihren Wesensgehalt erfährt der Leser nur wenig. Darum geht es dem Autor auch nicht. Mehrere Themen werden angerissen, aber nicht weiter verfolgt. Als bissige Satire auf die Ressentiments des Kleinbürgertums – was immer diese Definition beinhaltet – liest sich das Buch jedoch recht flüssig und bringt die Botschaft an den Leser.
Das Buch „Großes Finale für Novak“ ist im Residenzverlag unter der ISBN 978-3-7017-1547-3 erschienen, umfasst 296 Seiten und kostet 22,90 €.

Frank Raudszus
 

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