Friedrich Dönhoff: „Seeluft“

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Ein Krimi über die Luftverschmutzung durch die Berufsschifffahrt

Hauptkommissar Fink ist noch jung und muss sich in der Hamburger Mordkommission vor allem gegenüber der ehrgeizigen Staatsanwältin noch beweisen. Als Maik Keilenweger, Geschäftsführer einer renommierten Reederei, eines Morgens tot im Rinnstein zwischen zwei Autos gefunden wird, deutet alles auf einen Unfall hin. Doch der Leser verfügt zu diesem Zeitpunkt bereits über mehr Informationen, weiß er doch, dass der verheiratete Keilenweger an dem Abend seine Geliebte besuchen wollte, die in unmittelbarer Nähe des Unfallortes wohnt. Außerdem hat der Autor dem Leser noch mitgeteilt, dass Keilenweger vor der Wohnung seiner Freundin einen unerwarteten Mann angetroffen hat, dessen Gegenwart ihm gar nicht recht war.

Doch Fink weiß das natürlich nicht, und so sucht er – wie üblich – erst im beruflichen und privaten Umfeld des Managers nach möglichen Feinden. Dabei stellt er fest, dass Keilenweger als Reeder ein zwar knallharter, aber seriöser Geschäftsmann war. Nur mit der ökologischen Bewegung „Ökopolis“ – fiktive Kopie von „Greenpeace“ – hatte er wegen der Schiffsabgase heftige Diskussionen.

Der Besuch der frischgebackenen Witwe ergibt ein wesentlich aufschlussreicheres Bild. Nicht nur scheint diese nicht besonders schockiert zu sein, es zeigt sich auch bald, dass sie sich in ziemlicher Offenheiten einen Geliebten „hält“. Die Ehe scheint also nur noch auf dem Papier existiert zu haben. Zwar ist die Ehefrau Tochter des im Ruhestand lebenden Inhabers der Reederei, doch dieser hat sein Geld weitgehend in Stiftungen eingebracht, so dass für die Frau durchaus ein ernstzunehmendes Tatmotiv existiert. Das gilt natürlich auch für die beiden erwachsenen Kinder des Toten, die beide für ihren jeweiligen Lebensstil Geld durchaus gebrauchen könnten. Hier könnten Wut über die Untreue des Vaters und Geldnot eine unheilige Allianz eingegangen sein.

Als Fink eine Veranstaltung der „Ökopolis“ besucht, fällt ihm eine so attraktive wie kompromisslose Aktivistin auf, die mehr oder minder offen für radikale Maßnahmen eintritt und der man auch Gewalt gegen Menschen zutrauen könnte.

So hat Fink in kurzer Zeit bereits mehrere Verdächtige, und es stellt sich nur die Frage, welcher Spur er zuerst nachgehen soll. Während er noch die einzelnen Spuren auf ihren Gewichtung überprüft, ergibt sich durch die Aufnahmen einer Videokamera eine völlig neue Lage, und binnen kürzester Zeit identifiziert Fink zwei halbseidene Kleinkriminelle, die schließlich zugeben, den Manager nachts irrtümlich angefahren und liegengelassen zu haben.

Damit könnte die Akte geschlossen werden, und die Staatsanwältin möchte den Fall auch so schnell wie möglich abschließen. Doch in diese schöne Welt schneller Lösungen platzt der Hinweis des Rechtsmediziners, dass Keilweger nicht nur an Krebs gelitten habe sondern dass dafür zumindest teilweise auch ein Gift verantwortlich gewesen sei, das ihm über längere Zeit in kleinen Dosierungen eingeflößt worden sein müsse.

Fink könnte diese Information unter den Tisch fallen lassen, da der Fall ja geklärt ist. Aber es stört ihn, dass ein klammheimlicher Mordversuch ungesühnt bleiben soll, und so setzt er gegen den Willen der Staatsanwältin seine Recherchen fort. Noch einmal besucht er alle Verdächtigen, ohne bei ihnen fündig zu werden. Schlimmer noch, die Alibis bzw. gute Gründe für bestimmte Geldmotive schwächen den jeweiligen Verdacht. Doch im Zuge seiner Ermittlungen um die „Ökopolis“-Bewegung stößt er auf einen Artikel, den ein Journalist vor einiger Zeit über die krebserregenden Substanzen in der Luft rund um die Schleusen von Brunsbüttelkoog geschrieben hat. Die Schiffe müssen dort aus Sicherheitsgründen während der gesamten Schleusenzeit die Motoren laufen lassen. Wie Fink mittlerweile weiß, verwenden die Schiffe weltweit das hochgiftige Schweröl, das in Autos längst verboten ist, und der Journalist hat über die Auswirkungen in dem engen Raum der Schleusen berichtet. Seltsamerweise ist dieser bericht jedoch nie veröffentlicht worden, und Fink erfährt schließlich, dass der umgekommene Manager Keilweger den Artikel und damit auch den Journalisten gekauft hat.

Das wirft jetzt ein völlig neues Licht auf den Fall, und Fink beginnt wieder intensiv, sich mit der „Ökopolis“, deren Konzept und Mitgliedern zzu beschäftigen. Dabei steht er unter Zeitdruck, da ihm die Staatsanwältin nur noch eine kurze Frist von wenigen Tagen für die seiner Ansicht ach offenen Fragen des Falls eingeräumt hat.

Wie üblich in solchen Fällen, recherchiert Fink unter Druck unmittelbar vor Ort, stößt auf einen unerklärlichen Kindestot in Brunsbüttelkoog – Krebs! – und bei der Suche nach den Eltern des toten Kindes auf alte Bekannte…

Der Rest besteht aus einem längeren Gespräch und einer geradezu erleichterten Beichte.

In einer Nebenhandlung geht der Autor noch näher auf die Psyche der jungen „Ökopolis“-Aktivistin ein. Dass sie sich ausgerechnet in einen Farbigen verliebt und sich dieser schließlich noch als unfreiwillig in die ganze Angelegenheit verwickelt erweist, ist fast ein wenig zuviel des Fabulierens. Vor allem der segensreiche Einfluss des jungen Farbigen auf einen alten Patriarchen klingt etwas zu sehr nach Charles Dickens.

Der Krimi braucht auch eine lange Anlaufzeit, ehe die Figuren so etwas wie Kontur entwickeln. Anfangs wirken Handlung wie Personen etwas hölzern und konstruiert. Gegen Ende wird man dann jedoch etwas „warm“ mit den einzelnen Personen, was weniger mit dem guten Ausgang zu tun hat als dass man in den Personen im Laufe der Zeit Menschen erkennt. Dennoch hätte der Autor seine Personen etwas subtiler und freier von Klischees entwerfen können. Über lange Zeit erfüllen sie exakt gewisse „Schubladen“-Vorstellungen.

Das Buch „Seeluft“ ist im Diogenes-Verlag unter der ISBN 978-3-257-30013-0  erschienen, umfasst 356 Seiten und kostet 14,90 €.

Frank Raudszus

 

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