Die „Neue Bühne Darmstadt“ spielt Sam Shepards Stcük „Warte bis es dunkel ist“

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Rainer Poser (Roat) und Nicole Klein (Lisa)

Spannender Kampf einer Blinden gegen drei Ganoven    

Die „Neue Bühne Darmstadt“ spielt Frederick Knotts Stück „Warte bis es dunkel ist“
Wer den Zuschauerraum der „Neuen Bühne Darmstadt“ betritt, fühlt sich in die frühen sechziger Jahre zurückversetzt. Am Eingang leuchtet einsam eine Stehlampe mit gefältetem Schirm, mitten auf der von den Zuschauertribünen eingerahmten Bühne steht ein Nierentisch mit entsprechenden Stühlen, und ein üppiges Sofa suggeriert bürgerliche Gemütlichkeit. Doch am schönsten ist die Küchenzeile mit mächtigem Kühlschrank, altem Gasherd aus Emaille und einer vorhanggeschmückten Ablage mit Kaffeemühle und ähnlichen Utensilien aus dieser fernen Zeit. Nur der rote Mülleimer aus dem heutigen Supermarkt ist ein – bewusster(?) – Stilbruch. 

Vor diesem Retro-Ambiente läuft ein kurzer, hektischer Prolog ab, bei dem eine Puppe zweimal den Besitzer wechselt, bis sie ein harmloser Fotograf über die Kontrollen am Flughafen bringt. Man ahnt schon hier, dass die Puppe kriminelles Potential birgt.

Die eigentliche Handlung beginnt damit, dass die Urheber dieser Aktion ihre wertvolle Puppe wieder abholen wollen. Da der Fotograf sie nicht mehr finden konnten, beschließen die drei Ganoven, die Suche in der Wohnung des Fotografen selbst in die HAnd zu nehmen, wenn dieser bei der Arbeit ist. Seine Frau stellt augenscheinlich kein Problem dar, da sie blind ist. Anfangs ist sie sogar nicht im Hause, so dass sich die Ganoven frei unterhalten und damit die Zuschauer erst einmal über die Situation „en detail“ aufklären können. Der Anführer Roat (Rainer Posrer) ist ein skrupelloser Gangster alter Schule, der sich der zwei Kleinganoven Mike (Axel Raether) und Carlino (Ralph Dillmann) für die einfachen Aufgaben bedient. Die beiden haben seit Jahren denselben Trick drauf: Mike kommt als besorgter alter Freund in ein Haus, ahnt Böses und holt den Polizei-Sergeanten Carlino hinzu. Gemeinsam nehmen sie dann das arme Opfe aus. Da sie beide nicht die Hellsten sind, haben sie diesen Trick einige Jahre hinter Gittern abgebüßt. Doch er ist zu schön, als dass sie ihn aufgeben wollten. Auch die junge Frau aus dem Prolog (Nicole Klein) ist wieder dabei und weckt Roats Misstrauen, da sie für die Übergabe der Puppe verantwortlich war und diese in der Wohnung nicht aufzufinden ist. Nach einer kurzen Diskussion bricht Roat ihr das Genick und lässt die Leiche durch die beiden Komplizen entsorgen.

Als Susy (Bianca Weidenbusch), die blinde Frau des Fotografen, wieder zu Hause istt, stattet ihr Mike als angeblich alter Freund ihres Mannes einen Besuch ab, um zusammen mit Carlino die alte Nummer abzuziehen. Gemeinsam verabreden sie über entsprechende Zeichen mit der Jalousie passende Anrufe der angeblichen Polizei, informieren Susy auf diese Weise über den Mord an einer Frau, die angeblich etwas mit ihrem Mann zu tun hatte, und setzen sie deshalb in Angst und Schrecken. Natürlich glaubt sie dem treuherzigen alten Kriegskameraden ihres Mannes, und an dem angebliche Polizist zweifelt sie auch nicht. Unsicher wird sie erst, als plötzlich ein erregter älterer Herr – Roat in Verkleidung – Zutritt verlangt und einfach in ihr Schlafzimmer eindringt. Als kurz danach dessen angeblicher Sohn – wieder Rainer Poser, nun mit dicker Blondperücke – kommt und sich für seinen Vater entschuldigt, wird sie zum ersten Mal richtig misstrauisch. Blinde schärfen notgedrungen ihre anderen Sinne wie Gehör und Geruch wesentlich mehr als normale Menschen, und so stellt sie fest, dass Vater und Sohn identische Schuhe tragen, dass der Polizist Carlino ständig überall Staub wischt (Fingerabdrücke!) und dass Mike grundlos des Öfteren die Jalousie auf- und niederzieht. Susy hat nur diese Informationsquellen, aber sie fügt die Puzzleteilchen der einzelnen Aktionen ihrer angeblich so hilfswilligen Besucher besser zusammen als diese sich träumen lassen.

Axel Raether (Mike) und Bianca Weidenbusch (Susy)Auch, dass ihre Besucher immer wieder nach der – immer noch nicht gefundenen – Puppe fragen, weckt zunehmend ihr Misstrauen, und schließlich setzt sie Gloria, ihre junge Putzhilfe, als Helferin bei der Aufklärung der seltsamen Ereignisse ein. Langsam entwickelt sie eine Strategie, die zuerst in Zeitgewinn besteht, um Absichten und Eigenarten ihrer Besucher besser zu erforschen, und die dann zu genau geplanten Aktionen führt, mit denen sie die Überlegenheit ihrer anderen Sinne nutzen kann. Und hier kommt der Titel ins Spiel. Für sie ist es wichtig, dass im entscheidenden Augenblick Dunkelheit in der Wohnung herrscht, weil sie sich dann wesentlich besser orientieren kann als die Ganoven.

Wir wollen an dieser Stelle den weiteren Verlauf der Handlung nicht verraten, sondern nur auf die wachsende Spannung hinweisen, die diese Inszenierung tatsächlich entfaltet. Dazu trägt einerseits die geschickte Regie eine Rolle, die mit vielen – für die Protagonisten quälenden – Pausen arbeitet und die typische Filmmusik von Psycho-Thrillern der sechziger Jahre einsetzt. Leise aber mit hoher Intensität treibt diese Musik die Spannung immer weiter nach oben. Andererseits tragen die Darsteller entscheidend zu dem Gelingen dieser Inszenierung bei. Bianca Weidenbusch spielt die blinde Susy mit großer Glaubwürdigkeit. Mit leerem Blick, vorgestreckten Händen und höchster Konzentration bewegt sie sich durch die Wohnung, stets die Konstellation der Möbel im Kopf. Und wenn die Ganoven bei der Puppensuche die Möbel verstellt haben, gerät sie ins Stolpern und nahezu in Panik. Auch die einfachen Fragen, ob es hell oder dunkel im Raum ist, wo die Lichtschalter sind und wie man den Kühlschrank abschaltet, muss Susy plötzlich für sich beantworten können, und Bianca Weidenbusch stellt Susys Schwanken zwischen panischer Angst und kontrolliertem Überlebenswillen überzeugend dar. In dieser Inszenierung ist sie eindeutig die Hauptperson und beherrscht mit ihrem eindrucksvollen Spiel die Bühne.

Neben ihr hat Rainer Poser zwar die Rolle des „Chef-Bösewichts“, die er auch mit der entsprechenden Skrupellosigkeit und Glaubwürdigkeit spielt, doch die meiste Präsenz zeigt Axel Raether als Mike, der sozusagen ständig bei Susy an der „Wohnungsfront“ arbeiten muss. Dabei stattet er Mike erst mit der großsprecherischen Attitüde des kleinen Ganoven aus, der auch schnell mit Morddrohungen zur Hand ist, der aber Skrupel zeigt, als es um die Umsetzung geht. Diese Ambivalenz, sprich den Rest von Menschlichkeit, bezahlt Mike dann auch mit dem Leben. Axel Raether verleiht dieser Figur so etwas wie eine menschliche Kontur. Ralph Dillmann spielt den etwas schusseligen Carlino, der nur nach Anweisung und festen Abläufen handelt, eben der typische Komplize eines Führungsgangsters wie Roat.

Dazu kommt noch die junge Magdalena Suss, die recht glaubwürdig die anfangs pubertäre und aufsässige, später dann mutige und hilfsbereite Gloria spielt. Jens Hommola tritt nur am Anfang und in der Schlussszene als Fotograf Sam auf, auf den Susy die ganze Zeit sehnsüchtig wartet, auf dass er dem Spuk ein Ende bereite. Doch der kann seine Susy am Schluss nur erleichtert in die Arme schließen, nachdem diese die Schlacht gegen die drei Gangster alleine geschlagen hat.

Viel Beifall für ein spannendes und unterhaltendes Kriminalstück.

Frank Raudszus

 

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