Die Staatsoper Berlin inszeniert Mozarts „Zauberflöte“ als farbenfrohes Märchenspiel

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Bühnenbild von Schinkel
Zauberhafte Flötentöne  

Die Staatsoper Berlin inszeniert Mozarts „Zauberflöte“ als farbenfrohes Märchenspiel
Das Licht dunkelt ab und das Publikum blickt statt auf einen samtig-roten Vorhang auf ein bühnengroßes, leuchtend gelbes Dreieck vor dunkelblauem Hintergrund. Die Staatskapelle Berlin beginnt unter der Leitung von Wolfgang-Maria Märtig mit der Ouvertüre zur Oper „Zauberflöte“ von Wolfgang Amadeus Mozart. Die Klänge sind weich und wohlklingend und umhüllen das Publikum mit einem Schleier zarter Wärme. Das Bühnenbild basiert auf dem Entwurf von Carl Friedrich Schinkel für die Inszenierung aus dem Jahr 1816 und verkörpert einen Anschein von Sonnenaufgang – trotz des klaren farblichen Kontrasts wirkt es friedlich und ruhig. Als sich der Vorhang hebt, erscheint Prinz Tamino (Stephan Rügamer), der auf der Jagd durch einen düsteren Wald pirscht. Unbedacht ist er in das Reich der Königin der Nacht eingedrungen, wo er urplötzlich von einem dreiköpfigen Ungeheuer überrascht und bedroht wird. Tamino verliert vor lauter Schreck das Bewusstsein, fällt in Ohnmacht und bleibt zunächst reglos auf der Bühne liegen. Dem Rachen des Ungeheuers entsteigen drei in Schwarz gehüllte Damen – sie entstammen dem Dunstkreis der Königin der Nacht. Als sie Tamino entdecken, wetteifern sie darum, wer sich nun seiner annehmen darf – im Moment Taminos Erwachens flüchten sie jedoch. Sich orientierend, erblickt Tamino das getöte Ungeheuer und kurze Zeit später Papageno den Vogelfänger (Gyula Orendt), der sogleich die Rettung Taminos vor dem Ungeheuer für sich reklamiert.

Papageno und die drei Damen klären Tamino schließlich über den Ort auf, an dem er sich befindet, und zeigen ihm ein Bild der Tochter der Königin der Nacht. Prinzessin Pamina, so heißt es, wurde von Sarastro, einem Freund des verstorbenen Vaters und ehemaligen Königs, entführt. Nun soll es an Tamino sein, die Prinzessin wieder zu befreien – Papageno wird ihn auf der Mission begleiten. Jeder von ihnen erhält zudem ein Zauberinstrument – Tamino die Zauberflöte, welche Gefahren abwendet, und Papageno ein Glockenspiel, das jeden Bösgesinnten in einen fröhlich tanzenden Jüngling verwandelt. Auf ihrem Weg begleiten sie drei Knaben, die als gute Geister über ihnen wachen sollen. So begibt sich das ungleiche Paar aus herrschaftlicher Eleganz und naturverbundener Fröhlichkeit auf Wanderschaft gen Sarastros Reich. Pamina (Anna Prohaska) ist es parallel gelungen, für einen Moment den Fängen von Sarastros Skalventreiber Monostatos (Michael Smallwood) zu entfliehen. Jedoch wird sie wenig später wieder eingefangen und mit schweren Tauen gefesselt. Klagend vor Schmerz erreicht sie schließlich, dass Papageno sie bei seinem Umherirren entdeckt. Er erzählt ihr von seiner und Taminos Suche nach ihr und von der spontan entflammten Liebe des Prinzen zu ihr. Tamino selbst hat es zu Sarastros Tempel verschlagen. Sarastro (Jan Martiník) erfährt von der Flucht Paminas, kann diese verhindern und zeigt sich wider Erwarten als gutmütiger Herrscher seines Reiches. Anstatt Tamino und Papageno zu bestrafen, stellt er ihnen eine Prüfung, mit deren Erfolg jeder seine Wünsche erfüllen kann. Über die folgenden Szenen nimmt das Schauspiel seinen Lauf. Tamino und Papageno stellen sich ihren Aufgaben mit ihren ganz unterschiedlichen Charakteren und Talenten und führen das Publikum durch eine traumhafte Geschichte. Neben dem Verlauf des Librettos ist aber selbstredend die Darstellungsform, ob Gesang oder gesprochene Passagen, der eigentliche Kern der Darbietung. Hierbei glänzen alle Darsteller durch ihre einnehmende Bühnenpräsenz und ihre charakterlich ausgeprägten Rollen.

Papageno und PapagenaTamino gibt das Bild eines erhabenen Prinzen, der, von Liebe getrieben, seine eigenen konfliktgeladenen Emotionen gut für sich bewahren kann. Papageno hingegen spielt den herrlichen Paradiesvogel und ist der heimliche Star dieser Inszenierung der Zauberflöte. Mit unglaublichem Witz in Sprache, Gestik und Mimik begeistert er das Publikum für sich und gibt eine sehr lebensnahe Persönlichkeit des Vogelfängers, wie man sich ihn vorstellen möchte: frei, fröhlich, verspielt und eins mit seiner naturlichen Umwelt. Sarastro ist gewaltig in seinen körperlichen Ausmaßen und repräsentiert den stellvertretenden König in der Oper. Auch verkörpert er eine unendliche Gutmütigkeit in seiner väterlichen Rolle und strahlt somit ein tiefes Vertrauen aus. Die Königin der Nacht (Anna Siminska) setzt sich in ihrer Präsenz nur wenig von ihren drei Gefährtinnen ab. Ihr weltbekanntes, leuchtend und prall zirpendes Solo begeistert das Publikum aber durch das absolute Spitzenniveau. Ein breites Lächeln formt sich in den Gesichtern der entzückten Zuschauerschar. Nicht zuletzt spielt Monostatos eine herausragend graziöse Rolle – prall, mit einer Spur Klamauk und amüsanter Hinterhältigkeit, die man ihm kaum übel nehmen kann. So ist er doch ein einfacher Mensch, der wenig an dem Glanz seiner Umgebung teilhaben kann. Aber gerade dafür besetzt er seine Nische mit viel Charme und großer Kunst, um seine Momente geschickt in Szene zu setzten und dem Publikum kleine Lacher zu entlocken. Absolut unglaublich ist die Bühnenbildgewalt, die auf das Publikum niederprasselt. Jede Szene weniger Minuten ist in eine eigene Wirklichkeit aufwändigster bis ins Detail gestalteter Bilder, Vorhänge und Artefakte getaucht. Schier unendlich viel Mühe, so scheint es, müssen Bühnenbildner investiert haben, um diese stimmungsmäßig seelenruhigen Kunstwerke zu erschaffen. Man kann nur hoffen, dass die Zauberflöte noch einige Jahrzehnte aufgeführt wird oder weitere weltbekannte Häuser von den fantastischen Landschaften und ägyptischen Palais profitieren dürfen. Mozarts Zauberflöte ist eine Oper für die ganze Familie. Von Kindesalter an, wie die Schar der kleinen Nachkömmlinge von , die zum Ende im zarten Alter von vielleicht fünf bis sieben Jahren noch die Bühne erstürmen, bis ins Alter der Großeltern ist dies ein zauberhaftes Stück. Die Musik ist sanftmütig, die Geschichte durch Ihren klaren Verlauf sehr leicht zu verfolgen, und der Gesang lockert die Aufführung mit viel Fröhlichkeit auf. Bei der Zauberflöte, so möchte man fast sagen, geht es nicht um eine hochkomplexe Geschichte, die gewaltige Interpretationen erfordert, sondern um einen Abend mit Unterhaltung für Jung, Jünger und ein bisschen weniger Jung. Es ist schwer vorstellbar, dass jemand einen solchen Abend reizender Inszenierung nicht aus vollen Zügen genießen könnte.
                                                                                 
Malte Raudszus

 

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