A. K. Benedict: „Die Eleganz des Tötens“

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Der in sich widersprüchliche und inkonsistente Versuch eines Thrillers.

Bereits mit ihrem  Namen versucht die Autorin, das Rätselhafte dieses Buches zu unterstreichen. Sähe man nicht ihr Porträt auf dem Waschzettel, bliebe man im Unklaren über das Geschlecht, denn weder der Waschzettel noch eine kurze Recherche im Internet fördern mehr als die Initialen „A. K.“ zu Tage.

1410_EleganzDie Frage, wozu die Geheimniskrämerei dienen soll, stellt sich bereits nach der Hälfte der Lektüre, wenn nicht vorher. Im Mittelpunkt steht die Fähigkeit bestimmter Menschen, Zeitreisen in beliebige Epochen der Vergangenheit zu unternehmen und unbeschadet wieder zurückzukehren. Darum herum baut die Autorin eine Geschichte über unerklärliche Morde an unschuldigen und scheinbar zufällig ausgesuchten Opfern, die den Mord als eine ästhetische Tat zwar nicht feiert aber aus der Sicht des Täters so erscheinen lässt, wobei die Auflösung der anfangs rätselhaften Todesfälle der Theorie der „Eleganz“ wiederum widerspricht.

Zwar sind Zeitreisen aus zwingenden logischen Gründen unmöglich, da andernfalls jegliche Realität nachträglich ad absurdum geführt werden könnte (der Zeitreisende bringt seinen Vater oder seine Mutter im Kindesalter um!), doch könnte man sie im Sinne der dichterischen Freiheit akzeptieren, wenn sich daraus originelle Entwicklungen und Erkenntnisse ergeben würden. Doch hier wird die Zeitreise nur dazu verwendet, Mordopfer verschwinden zu lassen oder das Lokalkolorit mit der Vergangenheit anzureichern.

Hauptperson ist der junge Philosophieprofessor Killigan, der kurz nach seinem Dienstantritt in Cambridge (England) die Leiche einer seit einem Jahr verschwundenen Schönheitskönigin entdeckt. Als er zwecks Benachrichtigung der Polizei kurz den Fundort verlässt, verschwinden die Leiche und alle Indizien spurlos, so dass Killigan in den Verdacht gerät, der Polizei einen alkoholbedingten Streich gespielt zu haben, und fast seine Stelle an der Universität verliert. Doch er recherchiert weiter und stößt bald auf starke Indizien für Zeitreisende, unter anderem eine ehemalige Professorin, die ihm bei seinen Recherchen hilft, und einen dubiosen Kollegen, dessen fast aufdringliches Interesse für ihn Killigan irritiert.

In einer Parallelhandlung, die grundsätzlich kursiv gesetzt ist, monologisiert der geheimnisvolle Zeitreisende über das Leben und den Tod, den er – bewusst verabreicht – als eine ästhetische Tat preist. Jackamore Grass, so sein Name, war oder ist ein genialer Mann, der die Fähigkeit des Zeitreisens nicht nur besitzt, sondern sie auch perfektioniert hat und sie skrupellos für seine Zwecke nutzt. Seine abstruse Theorie des „eleganten Tötens“ beruht auf der Vorstellung, ein schönes, unschuldiges Geschöpf zu töten und es dadurch vor Alter, Hässlichkeit und Schuld zu schützen. Für ihn ist Töten in dieser Form ein Kunstwerk. In Killigan erkennt er aus seiner nahezu transzendenten Sicht die Fähigkeit zur Zeitreise und will ihn in seine Welt hinüberziehen, indem er ihn auch des Mordes schuldig werden zu lassen versucht.

Killigan kommt Jackamore Grass zwar bald auf die Schliche, bekommt ihn aber wegen seines Pendelns zwischen den Zeiten nie zu Gesicht und weiß daher nicht, wie er aussieht. Grass verfügt daher über einen wesentlichen taktischen Vorteil und nutzt ihn dazu, Killigan wie eine Marionette an unsichtbaren Fäden zu manipulieren oder zumindest ihn in all seinen Bewegungen zu beobachten. Ein Großteil der Handlung spielt sich im Jahr 1635 ab, in dem Killigan bei seinen Zeitreiseversuchen jedes Mal landet und in dem er sowohl Mordopfer als auch die dafür verantwortlichen Täter kennenlernt. Da geht es mal um eitle Künstler, die ihr Modell umbrigen, mal um Adlige, die sich hübsche minderjährige Mädchen als Bettwärmer halten. Die Welt des frühen 17. Jahrhunderts ist nicht sehr moralisch, und das Leben ist hart und gefährlich. Aber das wusste man auch ohne Zeitreisen.

Bei allen geheimnisvollen Morden spielen Masken eine Rolle, die Jackamore Grass einst bei einer Zeitreise in einem Museum gestohlen hat und den Opfern aufs Gesicht drückt. Außer dem Hinweis auf den kunsthistorischen Hintergrund dieser Masken und ihrer Position auf den Leichengesichtern haben sie weder erkennbare metaphorische noch kriminaltechnische Bedeutung. Offensichtlich wollte die Autorin den Roman mit kunsthistorischem Wissen anreichern.

Von Anfang an wird Jackamore Grass´  ästhetisch begründete Mordlust betont und sozusagen als „Agens“ des Romans verwendet. Doch gegen Ende des Romans stellt sich heraus, das drei der Morde von der plötzlich wie eine „dea ex machina“ herbeigezauberte Schwester des dubiosen Universitätskollegen aus niedrigen Motiven begangen wurden. Zwar bringt auch Jackamore Grass zwei Frauen um – just for fun, möchte man sagen -, aber er ist doch nicht die durchgängige Figur des Serientäters.

Killigan verfolgt Jackamore Grass wie ein Kriminalkommissar einen Mörder. Dabei steht ihm die echte Kriminalkommissarin, die nebenbei noch in einer logisch losgelösten Parallelhandlung beide Brüste an den Krebs verliert, mehr im Wege als dass sie ihm hilft. Und wer glaubt, dass Killigan den Bösewicht am Ende in einem „Showdown“ zwischen den Zeiten zur Strecke bringt, irrt sich. Jackamore Grass kommt mit seinen Morden mehr oder weniger durch, weil er sich in früheren Jahrhunderten versteckt. Die Polizei glaubt zwar nicht mehr – wie zu Beginn – an Kílligan als Täter, aber deswegen nicht viel mehr an seine Theorie der Zeitreisen. Am Ende geht alles aus wie das Hornberger Schießen aus. Man sammelt die Toten ein – eine davon Killigans Geliebte -, findet jedoch nur für einen Teil der Taten den Täter, jedoch den falschen aufgrund eines bewusst konstruierten Geständnisses.

Das Buch endet nicht nur für Gerechtigkeitsfanatiker unbefriedigend – was noch hinnehmbar wäre – sondern vor allem für Freunde eines logisch durchkomponierten Buches, das alle Handlungsfäden bis zum Ende führt und vor allem auf  logische Konsistenz und eine gewisse immanente Glaubwürdigkeit achtet. Doch das ist in diesem Buch nicht der Fall. Am Ende sitzt Killigan alleine da, seine tote Geliebte betrauernd und ohne Zugriff auf den Täter. Dieser büßt dabei jedoch einen Großteil seiner dramaturgischen Bedeutung ein, da der überwiegende Teil der Morde gar nicht von ihm begangen wurde.

Das Ganze ist ziemlich verworren, über lange Strecken wegen struktureller Wiederholungen zäh zu lesen und entbehrt vor allem einer durchkomponierten Romanstruktur mit der für einen Thriller unabdingbaren Steigerung der Spannung bis zur Auflösung. Man muss dieses Buch nicht gelesen haben.

Das Buch „Die Eleganz des Tötens“ ist im Verlag Droemer-Knaur erschienen, umfasst 572 Seiten und kostet 16,99 €.

Frank Raudszus

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