Eine Frau muss tun, was sie tun muss…

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Im Berliner Kabarett „Die Wühlmäuse“ läuft das Musical „Die Hammerfrauen“.

Der deutsche (Durchschnitts-)Mann gilt als Liebhaber des „Do it yourself“ und der Baumärkte. Für viele gibt es nichts Schöneres, als tagtäglich am Haus und im Garten herumzuwerkeln und die heimische Infrastruktur laufend umzugestalten. Die ästhetischen und die familiären Aspekte dieser Werkelei stehen auf einem anderen Blatt…..

Diese typisch deutsche  Eigenart ist jetzt auch auf der Theaterbühne angekommen und hat ihre künstlerische Form als Musical gefunden. Autor, Produzent und Darsteller (!) Michael Frowin hat zusammen mit Robert Löhr (Drehbuch) und Benedikt Eichhorn (Musik) mit dem Musical „Die Hammerfrauen“ eine so schräge wie temporeiche und witzige Geschichte erfunden, die noch das tiefste Berliner Sommerloch füllt. Der Titel ist dabei nicht (nur) im übertragenen Sinne von erotisch aufregenden Frauen gemeint, sondern verweist unmittelbar auf den Baumarkt….

Frowin stellt jedoch nicht den typischen Heimwerker in den Mittelpunkt, sondern ausgerechnet vier Frauen, die hier – wie im „richtigen Leben“ – nicht viel mit dem Heimwerken im Sinn haben. Entsprechende grotesk entwickelt sich die Geschichte und eröffnet viele Möglichkeiten für Slapstick-Szenen. Bereits die Eintrittskarte trägt statt des Hinweises auf „Reihe“ und „Platz“ die Begriffe „Regal“ und „Fach“, und die offene Bühne ist vollgestellt mit Regalen, in denen Klodeckel, Holzlatten und allerlei Werkzeug auf ihre Käufer warten. Ein heimischer Baumarkt tritt dabei sogar als Sponsor auf.

Hammerfrauen das Musical / Pressetermin am 15.07.2015                                                 Foto: Claudius Pflug

Hammerfrauen das Musical Foto: Claudius Pflug

Gleich der Beginn überfällt die Zuschauer mit einem temperamentvollen Potpourri aus Schlagern verschiedener Epochen, deren Texte alle auf Baumarkt-Themen umgeschrieben wurden. Klar, dass dabei unter anderen auch „Marmorstein und Eisen bricht“ zu hören ist. Dank der guten Verständlichkeit der Texte ernten die Darsteller – vier Frauen und drei Männer – schon ihre ersten Lacher und kräftigen Beifall.

Die dann einsetzende Geschichte ist eher einfach: ein junges Paar hat sich im Baumarkt seinen Hochzeitstisch einrichten lassen, auf dem Freunde und Verwandte ihre Geschenke in Form von Bohrmaschinen und Zementsäcken ablegen können. Julia (Julia Meier), die junge Braut, war sich nicht im Klaren darüber, dass sie sich mit einem Baumarkt-Fanatiker eingelassen hat, der eine vollkommen heruntergekommene Mühle in Brandenburg zur heimeligen Wohnstatt umbauen will und sogar daran gedacht hat, im Baumarkt zu heiraten. Zudem hat er sie noch zu einem Heimwerker-Grundkurs nur für Frauen in eben diesem Baumarkt angemeldet, der in wenigen Minuten beginnt.

Starr vor Schreck lässt Julia das Unglück auf sich zukommen und lernt die anderen Teilnehmerinnen eher im Trancezustand kennen: Cornelia (Carolin Beil) ist eine damenhafte Frau in den Vierzigern mit langem Rock und kurzem Blazer, die mit Hilfe dieses Kurses ihr geerbtes Haus vor der totalen Zerlegung durch ihren heimwerkersüchtigen Gatten retten will. Yvonne (Isabel Varell) scheint mit ihren praktischen Handwerkerhosen und dem großkarierten Holzfällerhemd eher einer anderen erotischen Kategorie anzugehören, outet sich jedoch später als junge Witwe mit Phantomschmerzen. Kim (Julia Klotz) schließlich ist nicht wegen des Werkens hergekommen, sondern wegen des versprochenen Beiprogramms mit Sekt und Schnittchen und hofft auch kernige Männer, die Wichtigeres als Handwerkerkünste zu bieten haben.

Diesen vier Frauen stehen zwei Männer des Baumarkts gegenüber, die den Kurs leiten sollen. Enno (Michael Frowin) geht ganz in seiner Aufgabe auf, während Patrick (Marco Billep) eher an den Frauen interessiert ist und den Weiberheld herauskehrt. Als der Feierabend naht und der Heimwerkerkurs auf eher verhaltenes Interesse der Frauen gestoßen ist, wollen die beiden Männer Feierabend machen und die Damen hinauskomplimentieren. Doch nachdem sie bereits Julias Verlobten Mark (Christian Miebach) unter falschen Angaben nach Hause geschickt haben, setzen sie die beiden Kursleiter kurzerhand mit Elektroschocker, Fesseln und Knebeln außer Gefecht und deponieren sie hinter einem Regal.

Jetzt beginnt die „Lady´s Night“ der Hammerfrauen mit dem noch rechtzeitig nachgeorderten Sekt. Nach Genuss einiger weiterer Gläser des guten Schaumweins kehren sie in Abwesenheit der Männer ihre Probleme mit diesen und dem Leben im allgemeinen von innen nach außen. Das geschieht natürlich nicht auf quälende sozialpsychologische Weise sondern als freche und temperamentvolle Musik-Komödie mit viel Gesang nach alten Melodien und mit neuen Texten. Cornelia singt das Lied der selbstlosen Frau, die über die Sorge für die Mitmenschen sich selbst vergisst, Yvonne berichtet von ihrer Leidenszeit als junge Witwe, und beide befreien sich damit von ihren Problemen. Kim mischt die anderen dabei mit ihren deftigen und handfesten Ansichten über die Männer und die Erotik auf und wird mit zunehmendem Sektgenuss immer konkreter und ungehemmter.

In dieser Nacht erfährt Julia von den anderen Frauen etwas über weibliches Selbstbewusstsein und die Verfolgung eigener Ziele. Dass das Ganze am Ende natürlich mit einem, wenn nicht sogar zwei „Happy Ends“ ausgeht, versteht sich in einer solchen Komödie fast von selbst; schließlich ist der Hochsommer nicht die Zeit für sozialkritische Problemstücke. Doch wie die Botschaft von der „Befreiuung“ der Frau hier unter das Volk gebracht wird, ist in jeder Hinsicht sehenswert. Alle Darsteller bestechen durch ihre schauspielerischen Leistungen, wobei die Frauen wegen ihrer Überzahl und der dankbareren Rollen die Nase vorn haben. Dazu wird viel getanzt und gesungen, wobei die Regie einige originelle Ideen entwickelt hat. So setzen die sechs Darsteller in einer Szene gegen Ende  profane Gartenrechen wie die Fächer der „Folies Bergères“ und recken sie zum Schluss in einem gekonnten Bogen in die Höhe. In einer anderen Szene hantieren sie mit großen Laubsaugern, schwingen Hämmer wie zum Gattenmord oder sinnen über den Zweck einer zweiseitigen japanischen Säge nach, stets mit einiger Doppelbödigkeit. Sogar der Begriff „Gender“ fällt einmal, jedoch durch falsche Aussprache und grotesken Kontext ironisch gebrochen, und die politische Unkorrektheit des Begriffs „Mohr“ folgt auf dem Fuße.

Ansonsten wird immer wieder die Bastelwut der Männer und das Geschlechterverhältnis mit seinen diversen Spannungen und Brüchen aufs Korn genommen, doch nie polemisch oder gar fundamentalistisch sondern stets mit viel Humor und konkretem Witz. In diesem Musical wird viel gelacht und „Tacheles“ geredet, und das Ganze wird mit viel Musik und Tempo serviert. Nicht nur in den heißen Sommermonaten eine empfehlenswerte Unterhaltung mit vielen Pointen, sondern durchaus auch im grauen Winter gut verträglich, wenn nicht gar noch besser.

Frank Raudszus

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