Ille C. Gebeshuber: „Wo die Maschinen wachsen“

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Die Österreicherin Ille C. Gebeshuber ist promovierte Physikerin und bekleidete verschiedene Professuren auf unterschiedlichen Gebieten. Schon früh erkannte sie den Wert und die Notwendigkeit interdisziplinärer Forschung und verfolgt seitdem diesen Forschungsansatz konsequent. Nur so lassen sich ihrer Meinung nach die drängenden ökologischen Probleme lösen, vor denen die Welt steht. Zu  Beginn des Buches verweist sie auf die 15 drängendsten Probleme, die das „Millennium-Projekt“ identifiziert hat, darunter der Klimawandel, das drohende Artensterben, die Armut und die Trinkwasserversorgung, um nur einige zu nennen. Viele der Probleme und drohenden Katastrophen beruhen auf einem Raubbau des Menschen an den natürlichen Ressourcen, der in einigen Fällen bereits die kritische Grenze überschritten hat.

Die Autorin beschreibt anschaulich ihre wissenschaftliches „Erweckungserlebnis“, als es ihr gelang, mehr durch einen glücklichen Zufall als durch gezielte Suche zum ersten Mal Kieselalgen unter dem Mikroskop beobachten zu können, was vorher aus verschiedenen Gründen keinem Forscher gelungen war. Mit diesem Erfolg hatte sie den Zugang zu der Ebene der Nano-Technologie gewonnen, die der Mensch erst seit wenigen Jahrzehnten entdeckt hat. Die Natur jedoch wendet sie seit Abermillionen Jahren in vielfältiger Form an, sei es als schillernde Farbeffekte bei bestimmten Käfern oder auf Schmetterlingsflügeln, bei der natürlichen Reinheit von Blumenblättern – die Lotusblüte – oder in vielen anderen Fällen.

Der Natur als Nanotechnik-Fabrik ist die Autorin erst so richtig auf die Spur gekommen, als sie – teils aus privaten Gründen – eine Professur in Malaysia übernahm und dort den Dschungel mit seiner vielfältigen Flora und Fauna kennenlernte. Dort begann sie sich mit vielen Phänomenen zu beschäftigen, die der Mensch später in der Nanotechnologie nutzte. Als Beispiel für die Übernahme von erfolgreichen Technologien aus dem Tierreich führt sie die – allerdings makroskopische – Lösung der „Winglets“ an den Enden der Tragflächen moderner Flugzeuge an, die von den Flügeln der Störche inspiriert wurden. Neben diesen augenfälligen Anleihen aus der Natur gibt es jedoch im mikroskopischen Submikronbereich – den man heute summarisch als „Nanobereich“ bezeichnet, viel mehr von der Natur zu lernen. Die Autorin berichtet von Mikroorganismen, die Glas herstellen oder Metalle aus dem Boden ziehen können. Letztere weisen sogar einen doppelten Nutzen auf: einerseits säubern sie von Schwermetallen verseuchte Böden, andererseits akkumulieren sie das Metall und ermöglichen damit dessen industrielle Nutzung. Doch während der Mensch Metalle mit Hilfe externer Energien und Werkzeuge herstellt, die wiederum die Umwelt belasten, integrieren sich die Mikroorganismen nach getaner Arbeit und ihrem Absterben wieder naht- und restlos in den natürlichen Kreislauf.

Die Autorin führt eine Vielfalt ähnlicher Mikroorganismen an, die belastbare Werkstoffe oder andere nützliche Effekte herstellen, und plädiert engagiert für eine konsequente Übernahme dieser „Produktionsmethoden“ in die industrielle Technologien und Fertigung. Vieles befindet sich dabei noch im Anfangsstadium, doch die Anfangserfolge – siehe die erwähnten „Winglets“ – lassen auf eine intensive Weiterentwicklung auf diesem Gebiet hoffen. So erwähnt die Autorin eine Forschungsreise zusammen mit Boeing-Ingenieuren, die der Natur ihre Strategien zur Lärmverminderung ablauschen wollten.

Ille C. Gebeshuber hat sich aufgrund ihrer jahrzehntelangen interdisziplinären Forschung ein breites Wissen auf vielen Gebieten wie Physik, Chemie und Biologie erarbeitet und bringt die Erkenntnisse der unterschiedlichen Wissenschaftsbereiche in ihren Projekten zusammen. Dabei legt sie den Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit und Ökologisches Bewusstsein der technischen Entwicklung und plädiert – nicht zuletzt in diesem Buch – für einen energischen Wandel in der industriellen Praxis. Ressourcen- und Klimaschonung müssen an oberster Stelle aller Überlegungen stehen, und die Gier des Menschen nach „immer mehr“ muss sich wandeln zu einem Maßhalten nicht nur in der Produktion sondern auch im Konsum. In dem vorliegenden Buch gibt sie einen biographisch gefärbten Bericht über die Fähigkeiten der Natur sowie die Möglichkeiten für eine nachhaltige, ökologisch orientierte Industrie der Zukunft. Ob die Zeit für diese Entwicklung noch reicht, ist dabei eine andere, aber brennende Frage.

Das Buch ist im ecowin-Verlag erschienen, umfasst 236 Seiten und kostet 24 Euro.

Frank Raudszus

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