Ken Follett: „Der Modigliani-Skandal“

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Dieser Roman des britischen Bestseller-Autors ist ein Paradebeispiel dafür, wie man Erfolgsromane nach einem Standard-Konzept erstellt. Letztlich könnte dieser Roman auch von einer Truppe angestellter Schreibern oder gar von einem Schreibprogramm verfasst worden sein.

Das Rezept ist ganz einfach und basiert im Wesentlichen auf der Basis einfacher Identifikationsangebote. Da man weiß, dass Unterhaltungsromane vorwiegend von (jüngeren) Frauen gelesen werden, baut man Handlung und Personen auf deren mehr oder minder stillen Wünschen auf. Die Hauptperson ist weiblich, jung, sexy, intelligent und selbstbewusst, ihr Freund gut aussehend, beruflich sehr erfolgreich und ein „Winner“-Typ. Die Geschichte wird jedoch aus der Sicht der jungen Frau erzählt und der Freund stellt dabei „nur“ ein möglichst dekoratives Dekor-Element dar. Die älteren Protagonisten, meistens Männer, werden tendenziell als emotionslose Geschäftsleute mit Hang zur von Skrupeln wenig beeinträchtigten Eigennützigkeit dargestellt. Jüngere Randfiguren werden gerne als „Verlierer“ (auch die muss es geben!) oder als moralische Rebellen gegen das System der „alten weißen Männer“ geformt. Den Personen ist eine durchgängige Eindimensionalität eigen, die jegliche Unsicherheiten, Zweifel oder gar Ängste ausschließt, geschweige denn eine charakterliche Entwicklung im Laufe der Handlung. Jede Person bleibt ihrem Klischee bis zum Schluss treu.

Ach ja, eine Handlung gibt es dann auch noch: die bereits erwähnte junge Frau, die gerade ein Kunsthistorik-Studium abgeschlossen hat, ist in Italien einem angeblich unbekannten Bild des Malers Modigliani auf der Spur und lässt dies dummerweise sowohl eine Freundin als auch ihren Onkel, seines Zeichens Galerist, per Postkarte wissen. Der Roman spielt Anfang der 80er Jahre, als es noch keine Handies gab und man noch Postkarten schrieb. Prompt folgen ihr und ihrem Freund mehrere andere Interessenten, die ihr zuvorkommen wollen. Parallel zu dieser Handlung läuft ein zweiter Handlungsstrang um zwei junge englische Künstler, die sich vom Kunstbetrieb betrogen und missachtet fühlen. Sie beschließen, die Kunstwelt mit gefälschten Bildern berühmter Meister öffentlich vorzuführen. Verbunden sind die beiden Handlungsstränge durch den Onkel der jungen Frau, den Galeristen.

Am Ende sind die ehrgeizigen Galeristen aller Couleur durch zwei clevere junge Leute hinters Licht geführt, zwei ältere Männer um einen Teil ihres Geldes gebracht (selbst Schuld, wenn man für angebliche Geheimtipps viel Geld zahlt) und der Kunstbetrieb blamiert (s. oben). Kunsthistorisch allerdings bleibt der Erkenntnisgewinn für den kunstinteressierten Leser sehr beschränkt, weil es hier nicht um die Kunst selbst sondern um das Klischee des Kunstbetriebs geht, das sicher nicht falsch aber auch nicht brandneu ist.

Am Ende kann dieses Hörbuch eine längere Autofahrt vielleicht etwas abwechlsungsreicher gestalten, aber das können andere Hörbücher sicher wesentlich besser.

Das Hörbuch ist bei Lübbe Audio erschienen, umfasst 4 CDs mit einer Gesamtlaufzeit von 283 Minuten und kostet 12 Euro.

Frank Raudszus

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