Markus Thiele: „Echo des Schweigens“

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Hannes Jansen ist Strafverteidiger und gerade mit einem brisanten Fall beschäftigt. Maik Winkler, ein unbescholtener Polizeibeamter, soll einen jungen Senegalesen in dessen Gefängniszelle durch Verbrennen getötet haben. Eigentlich spricht alles gegen den Polizisten, aber er versieht seit Jahren seinen Dienst vorbildlich und führt ein glückliches Familienleben mit Frau und Tochter. Einmal wöchentlich geht er zum Fußballtraining und zeigt Engagement für die Jugendmannschaft. Auch spielt er regelmäßig mit Kollegen eine Runde Dart. Er trinkt wenig Alkohol und führt ein ganz normales bürgerliches Leben ohne besondere Auffälligkeiten. Nie ist er durch rassistische Äußerungen aufgefallen. Warum also sollte er einen so bestialischen Mord an einem Migranten begangen haben? Wo könnte da ein Motiv sein?

Dies alles lässt sich der junge Strafverteidiger immer wieder durch den Kopf gehen und wird wohl für Freispruch plädieren.

Die Staatsanwältin dagegen ist von Winklers Schuld überzeugt. Ihrer Meinung nach könnte der Senegalese schon vor dem Brand tot gewesen sein. Auch die Gerichtsmedizinerin Sophie Tauber meint beweisen zu können, dass der Senegalese gewaltsam umkam. Für Jansen ist die Situation brisant, denn er hat sein Plädoyer auf „unschuldig“ ausgerichtet, obwohl die Indizien gegen Winkler sprechen. Jansen hat einerseits die Staatsanwältin gegen sich und andererseits die Gerichtsmedizinerin Tauber, in die er sich auch noch verliebt hat. Dabei ist dieser Prozess für ihn eine entscheidende Sprosse auf seiner Karriereleiter. Er muss schlagende Argumente finden, um seinen Mandanten frei zu bekommen.

Das alles ist spannend zu lesen und wirft den Leser in seiner Meinungsbildung hin und her. Auch wird hier die Rolle des Strafverteidigers prägnant herausgearbeitet, dessen wichtigste Aufgabe es ist, seinen Mandanten zu verteidigen.

Doch der Roman ist weitaus vielschichtiger als dieser Fall erahnen lässt, denn zwischen der Jetztzeit – 2017 bis 2018 – springt der Autor in die Jahre 1938 bis 1948 zurück und erzählt eine Familiengeschichte von Nazi-Begeisterung und Menschlichkeit, von Judenverfolgung bis zum Mord im Konzentrationslager. Und dieser Teil der Vergangenheit hat sowohl mit Sophie Tauber als auch mit Hannes Jansen zu tun. Am Ende des Romans wirken der historische Rückblick und die Handlungen der Großelterngeneration zwar etwas konstruiert, aber entwickeln dennoch eine intensive Spannung. Was beide Plots vereint, ist die Suche nach Gerechtigkeit und deren Preis. Einfacher ist es zwar, über neue Informationen zu schweigen, doch nur auf Kosten des Gewissens.

Das Buch ist im Benevento-Verlag erschienen, umfasst 401 Seiten und kostet 22 Euro.

Barbara Raudszus

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