Klangvielfalt trotz homogener Instrumente

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Nach langer Corona-Pause eröffnete das Staatstheater Darmstadt am 30. September die neue Musiksaison mit einem eher ungewöhnlichen Kammerkonzert. Statt der üblichen Solokonzerte oder gemischten Gruppen trat mit der Gruppe sonic.art ein reines Saxophonquartett auf, das ein breites Musikspektrum auf vier unterschiedlichen Saxophonen präsentierte: Sopran (Adrian Tully), Alt (Alexander Doroshkevich), Tenor (Taewook Ahn als Gast) und Bariton (Annegret Tully).

Nun geht man spontan von der Annahme aus, dass vier unterschiedliche Saxophone dennoch einen sehr ähnlichen Klang aufweisen, doch die Spielkunst eines – dieses! – Quartetts beweist dann, dass man einer solchen homogenen Instrumentengruppe tatsächlich die unterschiedlichsten Klangeffekte entlocken kann. Die vier Musiker zeigten das an einem breit gefächerten Programm, das sich von der „Dreigroschen-Oper“ über Erwin Schulhoffs eher „klassisch“ angehauchte Jazz-Etüden, George Gershwins „Porgy and Bess“, Samuel Barbers berühmtes „Adagio for Strings“ bis zu Leonard Bernsteins „West Side Story“ erstreckte.

Das Ensemble sonic.art (ohne Taewook Ahn)

Bei dem Brecht/Weill-Werk fielen vor allem die überzeugende Umsetzung des raffinierten, weil pseudo-naiven (Straßenmusik-)Stils und der lebendige Swing-Schwung von „Mac the Knife“ auf. Erwin Schulhoffs „Cinq études de Jazz“ – hier nur vier – aus dem Jahr 1926 interpretierten die vier Musiker mit der Exaktheit herkömmlicher E-Musik und den markanten Rhythmen der Jazz- und Latin-Musik des frühen 20. Jahrhunderts. Hier spannte sich der Bogen von introvertiertem 3/4-Takt (Blues) über die freie Metrik des Chansons bis zum extrem retardierten, klanglich an Ravel oder Debussy erinnernden Tango. Gershwins „Porgy and Bess“ kam mal virtuos und rhythmisch akzentuiert (Jasbo Brown), mal extrem langsam (Summertime), dann wieder lebendig und variantenreich (It ain´t necessarily so) oder konsequent jazzig (Finale) daher.

Nach der Pause verlieh die Gruppe Barbers „Adagio“ mit weiten, fein gebundenen Bögen den Klangeffekt eines Streichorchesters, wobei das Thema durch alle Instrumente wanderte. Abschließend zeigten die vier Künstler anhand von Bernsteins „West Side Story“ noch einmal sowohl ihr technisches Können als auch ihre klanglichen und rhythmischen Fähigkeiten. Das längst zum Gassenhauer gewordene „I feel pretty“ kam – dem Titel entsprechend – leicht und fröhlich daher, „Somewhere“ verströmte intensive Innigkeit, die Balkonszene – „Romeo und Julia“ als Vorbild! – lieferte Lyrik, und der „Cha-Cha“ ließ beim Publikum die Füße zucken. Bei „Jump“ sprangen die vier Saxophonisten musikalisch-metaphorisch wie Ziegenböcke über die Bühne und „Officer Krupke“ brachte dann mit seiner Dynamik und frechen Expressivität den standesgemäßen Höhepunkt dieser Nummernfolge.

Besonders gefiel bei diesem Auftritt die Publikumsnähe des Quartetts, die sich in den ausführlichen und humorigen Ankündigen wechselnder Quartettsmitglieder zu den jeweils folgenden Stücken niederschlug. Dadurch stellten die Musiker sofort einen persönlichen Kontakt zum Publikum her. Bei Kammermusikabenden durchaus keine Selbstverständlichkeit.

Das – corona-redizierte – Publikum zeigte sich sehr angetan und sparte nicht mit Beifall. Dafür erhielt es mit einem Satz aus einer Komposition von Philip Glass noch eine Zugabe.

Frank Raudszus

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