Nennt mich Rembrandt!

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Amsterdam war im frühen 17. Jahrhundert – stellvertretend für die Niederlande – ein wirtschaftliches und kulturelles Zentrum Europas. Die Verbindung von protestantischem Ehrgeiz und entdeckungsfreudigem Seefahrermut hatte schnell zu hohem Wohlstand geführt. Da die erfolgreichen Kaufleute sich und ihren Erfolg auch selbst feiern wollten, bestand große Nachfrage nach Portraits und den Status fördernden Gemälden. Das zog jüngere wie ältere Künstler geradezu magnetisch an, und alle hatten ihr Auskommen.

Rembrandt: Selbstportrait 1634

In diese kulturell aufgeheizte Wettbewerbsgesellschaft kam 1630 der 24jährige Rembrandt Harmenszoon van Rijn aus Leiden, um hier sein künstlerisches Glück zu machen. Doch um sich hier durchsetzen zu können, war mehr erforderlich als solides Können. Hier waren sowohl hohe Kreativität als auch Durchsetzungsvermögen gefragt, und Rembrandt sollte schnell beweisen, dass er über beides verfügte. Dass er schon nach kurzer Zeit seine Bilder nur noch mit seinem Vornamen signierte und sich auch nur noch mit diesem Namen ansprechen ließ, beweist sein Selbstbewusstsein. Kurator Dr. Jochen Sander zeigte dies in seinen Ausführungen anhand des hypothetischen Versuches, sich künftig nur noch „Jochen“ zu nennen, der aus seiner Sicht sicherlich nur peinlich enden würde.

Die Ausstellung stellt Rembrandt in den Kontext seiner Künstlerkollegen, und dazu sind von ihm selbst etwa sechzig und von seinen Zeitgenossen etwa achtzig Werke zu sehen – Gemälde, Zeichnungen und Druckgrafiken. Die Ausstellung ist nach Themen wie das Portrait, der Mythos oder die Landschaft organisiert. Dabei fällt auf, dass Rembrandt sich in jedem Genre sattelfest zeigte. Und immer wieder überrascht er sowohl seine Zeitgenossen als auch uns Nachgeborene durch seine mutige Durchbrechung malerischer Konventionen.

Pickenoy: Bildnis eins stehenden Mannes 1628

Bei den Portraits standen damals Auftragswerke im Mittelpunkt, schließlich musste ein Künstler ja leben. Dabei spielte natürlich der Wunsch der Kunden nach einer attraktiven Darstellung eine große Rolle. Rembrandt folgte diesem Strom nicht und musste dafür gleich Lehrgeld zahlen. So wurde das Bild einer Dame aus den höheren Ständen zurückgewiesen, weil es dem Auftraggeber nicht gefiel. Wir sehen in diesem Bild eine Frau mit einem ausdrucksstarken Profil, das Lebenserfahrung ausstrahlt. Heute würde man diesen Ausdruck als authentisch bezeichnen. Doch es erfüllte nicht die Forderung nach Attraktivität. Neben diesem Bild hängt das anschließend beauftrage Bild eines Konkurrenten, der eine ganz andere Frau darstellte, die aber keinen lebendigen Menschen sondern ein (Klischee-)Wunschbild widerspiegelt.

Rembrandt ist vor allem für seine konsequente Darstellung von Licht- und Schatteneffekten bekannt. Kamen die Künstler vor ihm gedanklich noch aus der Welt der flächigen Darstellung, die durch Licht und Schatten nur an Ebenmaß verlieren konnte, so verleiht er seinen Personen durch entsprechende Lichtbetonung wesentlich mehr Tiefe und Ausdruckskraft. Gleiches gilt für die Landschaftsdarstellungen, bei denen er gerne den Gegensatz zwischen schwarzen Gewitterwolken und durchbrechendem Sonnenlicht betont.

Rembrandt: Bildnis eins stehenden Mannes 1639

Zwei nebeneinander gehängte Ganzkörperportraits Amsterdamer Honoratioren zeigen den Unterschied zwischen Rembrandt und seinen Konkurrenten deutlich. Das Bild von Nicolaes Eliasz. Pickenoy zeigt einen steif und pseudo-würdig dastehenden Mann, und um ihn herum wertvolle, makellose Ingredienzien des Reichtums wie schwere Stoffe und Teppiche. Rembrandts Modell dagegen lehnt lässig an seiner Hauswand und hat einen Handschuh verloren. Die Mauer seines Hauses zeigt die üblichen kleinen Schäden und Unregelmäßigkeiten, wie sie sich halt aus dem Alltag ergeben. Dadurch wirkt dieses Portrait viel lebensechter als sein „würdevolles“ Pendant.

Ein weiteres Beispiel: Rembrandt hat wie andere seiner Kollegen auch den Mythos „Diana und die Nymphen“ dargestellt. Das Bild des Zeitgenossen zeigt weibliche Akte in ausgewogenen, vermeintlich antiken Posen. Das Bild strahlt daher eine akademische Würde aus, aber nicht ein ausgelassenes Bad junger Frauen. Rembrandt dagegen stellt genau das dar. Planschende, ins Wasser hüpfende oder sich im Gras räkelnde junge Frauen, aufspritzendes Wasser und lebendige Bewegungsposen, wie sie beim Baden üblich sind.

Rembrandt: Die Blendung des Simson 1636

Als herausragendes Beispiel für Rembrandts konsequent „realistische“ Darstellungsweise sei das Bild „Die Blendung Simsons“ angeführt. Nicht nur, dass Rembrandt deutlich den in Simsons Auge fahrenden Dolch samt herausquellendem Blut zeigt, sondern er lässt auch die Hände zu panisch zusammengepressten Fäusten werden, und die Zehen des rechten Fußes verkrampfen sich vor weißem Hintergrund derartig, das der Betrachter den Schmerz intuitiv nachempfindet. Der im Hintergrund mit weit geöffneten Augen das Geschehen verfolgenden Dalida prägt er einen ambivalenten Ausdruck ins Gesicht, der zwischen Rache, Lust und Entsetzen changiert.

Rembrandt hat mit dieser revolutionären Realistik seiner Bilder nicht nur Begeisterung geweckt, doch auf die Dauer setzten sich sein Können und vor allem sein Selbstbewusstsein durch, so dass sein „Markenkern“ sich schließlich als Vorbild für die Künstlergenerationen nach ihm durchsetzte.

Die Ausstellung ist vom 6. Oktober bis zum 30. Januar 2022 geöffnet. Details, unter anderem ein Podcast mit dem Titel „Blinded by Rembrandt“, sind er Webseite des Städelmuseums zu entnehmen

Frank Raudszus

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