Per aspera ad astra

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Die museale Malerei boomt: Kaum ist die Eröffnungsfeier der Frankfurter Rembrandt-Ausstellung verklungen, da eröffnet im Hessischen Landesmuseum Darmstadt (HLMD) die nächste Ausstellung über einen bedeutenden Maler ihre Tore. In einem reichhaltigen und informativen Presse-Rundgang durch die Ausstellung „Ich. Max Liebermann“ erweckte Direktor Dr. Martin Faass einen der bedeutendsten europäischen Maler des 19. Jahrhunderts anhand vieler vergleichender Beispiele ein zweites Mal zum Leben.

Selbstbildnis, 1913

Der aus einem wohlhabenden jüdischen Haushalt stammende Max Liebermann nahm das Kunststudium anfangs gegen den Willen seines Vaters auf, da sich weder sein Talent noch seine Neigung unterdrücken ließen. Schon als Student fühlte er sich im künstlerischen Kontext der akademischen Feinmalerei des 19. Jahrhunderts nicht wohl und suchte nach Alternativen. Die fand er zuerst bei zeitgenössischen Malern wie Michály von Munkáczy und – natürlich – bei Rembrandt. Man muss sich in Internetzeiten erst bewusst darüber klar werden, welchen Eindruck die plötzliche Begegnung mit Originalen Rembrandts in einer Zeit vor Photographie und Farbdruck auf den jungen Liebermann gemacht haben muss.

Munkáczy hatte sich von historisch-mythischen Akademiemalerei frei gemacht und stellte die arbeitende Bevölkerung in der Landwirtschaft und in den Dörfern in den Mittelpunkt seiner Kunst. In der Endzeit des übersteigerten romantischen Idealismus fand diese Hinwendung zum realistischen Alltagsleben mit all seinen sozialen Folgen sofort lebhafte Resonanz bei Liebermann. Die Ausstellung zeigt denn auch eine Reihe von Bildern Munkáczys und Liebermanns in dunklen Erdtönen nebeneinander zum direkten Vergleich. Zum selben Kontext gehören auch ähnliche Bilder des Niederländers Anton Mauve. Als historische Gegenüberstellung sieht man zusätzlich Gemälde von Künstlern des 17. Jahrhunderts mit Landschaften und sogar ein Selbstportrait Rembrandts.

Kartoffelernte, 1875

Im Laufe der Jahre entdeckte Liebermann dann das Licht. Erst in einer eher kontrastarmen Form, so wenn er den Innenhof eines Waisenhauses in helleren, wenn auch licht- und schattenlosen Tönen malt. Das mag aber auch an dem vor allem in Holland herrschenden Wetter mit wolkenverhangenem Himmel gelegen haben. In dieser Zeit werden zwar die Farben heller und ein wenig mutiger, doch die soziale Stimmung bleibt grau, wenn Liebermann Weber, Näherinnen oder andere schwer arbeitenden Menschen der unteren Schichten malt.

Doch nach dem Krieg 1970/71 zog es Liebermann nach Barbizon in Frankreich, wo junge französische Maler gegen die akademischen Konventionen protestierten und ihren eigenen, realistischen Stil pflegten. Hier verbrachte Liebermann mehrere Jahre und griff vor allem die ländlichen Erntemotive von Malern wie Jean-Francois Millet auf. In der Ausstellung treten Liebermanns eigene Arbeiten in Kontakt mit Bildern aus dem Barbizon-Kreis und belegen den Einfluss dieser Gruppe auf ihn.

Strandbild Nordwijk, 1911

Da Liebermann in Frankreich wegen der noch frischen Kriegsnachwirkungen keinen rechten Anschluss an die lokale Szene fand, wandte er sich in den Folgejahren wieder den Niederlanden zu. Hier fand er noch viele von der Industrialisierung verschonte Gegenden vor, die ihm ein authentisches Bild des Landlebens vermittelten. In gewissem Sinne ignorierte Liebermann die aufkommende Industrialisierung und blieb einem nostalgischen wenn auch sozial harten Bild der ländlichen Bevölkerung verhaftet. Sein Naturalismus deckte sozusagen nur die Hälfte der Realität ab, wenn er auch im strengen Wortsinn echter „Naturalismus“ blieb. Häusliche Arbeiten in dunkler Enge bildeten einen Schwerpunkt seiner Arbeit, wobei er mit dem Modell der am Fenster arbeitenden Frau die Malerei die holländische Malerei des 17. Jahrhunderts zitierte.

Erst sein Malerfreund Jozef Israels führte Liebermann ins Freie und zum Licht. Jetzt zeigten seine Bilder Strände mit und ohne Spaziergänger, Märkte und Straßen in Amsterdam, und das alles mit hellen Farben und Licht. Die narrative Seite seiner Malerei trat mehr und mehr zurück zugunsten des Eindruck des Augenblicks. Die Figuren und Gegenstände wurden nicht mehr detailliert ausgearbeitet sondern nur noch farblich angedeutet, und der Farbauftrag wurde pastoser und dynamischer. Der Einfluss des französischen Impressionismus trat bei Liebermann immer deutlicher zutage, und die Ausstellung im HLMD zeigt dies durch direkte Gegenüberstellungen mit Bildern von Manet, Monet und anderen Impressionisten.

Zwei gehende Mädchen, 1897

Den Abschluss des Rundgangs bilden die lichtdurchfluteten Bilder aus Liebermanns eigenem Garten. Das gleiche Motiv wird hier aus unterschiedlichen perspektiven, in verschiedensten Farbvarianten und Lichteinflüssen immer wieder neu belebt, und Liebermann zeigt in diesen Bildern seine bildnerische Kreativität und sein phantasievolles künstlerisches Auge.

Die Ausstellung ist vom 7. Oktober bis zum 9. Januar 2022 geöffnet. Näheres ist auf der Webseite des Hessischen Landesmuseums zu erfahren.

Frank Raudszus

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