Zweiter Aufguss eines Renners

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Plagiatsaffären sind seit einiger Zeit vor allem in Politikerkreisen „en vogue“. Man diskreditiert sich fröhlich mit entsprechenden Nachweisen in Doktor- und Diplomarbeiten. Doch auch im literarisch-künstlerischen Bereich feiert dieser Versuch der Trittbrettfahrerei auf vielfältige Weise seit eh und je fröhliche Urständ. Das trifft auch für Paul Abrahams Operette „Ball im Savoy“ aus dem Jahr 1931 zu, die fast Punkt für Punkt der berühmten „Fledermaus“ von Johann Strauss aus dem Jahr 1874 nachempfunden ist. Das Thema des untreuen Ehemanns eignet sich zwar wegen seiner Allgemeingültigkeit als Plagiatsvorwurf nur in geringem Maße, aber der Kontext schon. Wie im Vorbild schleicht sich der Ehemann unter einem Vorwand aus dem ehelichen Heim, um bei einem Fest erotischen Interessen nachzugehen, und auch dieses Fest wird von einer exotischen Person geprägt – da Fürst Orlowsky, hier José Pasodobles. Auch bei der Berliner Operette spielt ein guter Freund dabei eine wesentliche Rolle. Und auch hier erscheint die Ehefrau verkleidet auf dem Fest und düpiert ihren Ehemann, und als weiterer Nachahmungseffekt tritt auch hier ein kritischer Dienstbote auf, der die Charakterschwächen der „guten Gesellschaft“ auf den Punkt bringt.

Ensemble

Ein origineller Einfall in Abrahams Operette bleibt dagegen auf klägliche Weise ungenutzt. Der sagenhafte Komponist Pasodobles, der bei dem Fest auftreten soll, ist in Wirklichkeit die Cousine der Ehefrau, die es gleich zu Beginn von ihr selbst erfährt – und die Zuschauer ebenfalls. So weckt dann der Versuch der beiden Männer, den Komponisten als alten Freund des Ehemanns hinzustellen, der den Besuch des Festes erfordere, beim wissenden Zuschauer nur noch müdes Schmunzeln. Doch man hätte dies Dame in entsprechender Verkleidung als Pasodobles auftreten lassen können und damit operettentypische Verwirrung bei Protagonisten und Publikum auslösen können. Doch Abraham verzichtete darauf und verschenkte damit eine Möglichkeit für ausgeprägte Situationskomik. Vielleicht, weil es diese Variante in der „Fledermaus“ nicht gab?

Darüber hinaus kommt diese Operette als weichgespülte „Fledermaus“-Variante daher. Während Ende des 19. Jahrhundert sich die Oberschicht – vor allem in Wien! – noch recht gern in dem bissig-ironischen bis satirischen Spiegelbild der Operette sonnte – man sah in den Karikaturen der Protagonisten stets den Nachbarn und Konkurrenten -, gab es diese homogene Oberschicht-Publikum Anfang der dreißiger Jahre vor allem in Berlin nicht mehr. Das wesentlich breitere und der Usancen einer adligen Oberschicht nicht kundige Massenpublikum konnte man mit subtilen bis deftigen Insider-Karikaturen nicht mehr erreichen. Also wurden die Späße und komödiantischen Einlagen bodenständiger und biederer. In „Ball im Savoy“ werden keine gesellschaftlichen Rituale und Konventionen mehr karikiert, sondern nur noch einfache Späße gemacht und dazu getanzt. Es soll ja sofort jeder verstehen.

Livio Cecini und Cathrin Lange

So läuft denn diese Inszenierung nach dem Motto von Standard-Musicals ab. Herz, Schmerz, Liebe und Untreue, einfache Konstellationen und massentauglicher Humor. Dabei ist festzuhalten, dass sich die Darmstädter Inszenierung wirklich um Tempo und Witz bemüht. Das Bühnenbild ist ausgesprochen vielfältig, fast schon etwas zu dicht besetzt, und auch die Kostüme – im Stil der Dreißiger – fügen sich in dieses farbige Bild ein. Auf der Bühne ist stets etwas los, und die Regie bemüht sich, aufkommende Längen durch Tanzeinlagen und Chansons aufzulockern. Dabei hat sie dieser Operette auch Lieder zugefügt, die nicht im ursprünglichen Libretto stehen, aber zum Zeitkolorit gehören, etwa „Lass mich dein Badewasser schlürfen“. Diese Einlagen sind flott gestaltet und mit einigen guten Ideen bestückt, so, wenn die Tänzerinnen in großen Blumenblüten mit den Armen als Pollenstengeln auf der Bühne kreisen. Doch die Handlung bleibt eine blasse Kopie des besagten Vorbildes ohne originelle oder gar überraschende Wendungen und mit biederer Situationskomik.

Katrin Gerstenberger und Peter Sonn

Jana Baumeister und Peter Sonn als das Ehepaar geben sich Mühe, diesem Libretto Leben einzuhauchen, und erreichen es auch von Zeit zu Zeit, allerdings können auch sie dem bescheidenen Libretto keinen wirklichen Witz einhauchen. Cathrin Lange bringt als amerikanische Cousine einen gewissen Schwung in die Handlung, und Dirk Weiler als guter Hausgeist Archibald – Butler, Mitwisser, Komplize und Spottvogel – leistet seinen auflockernden Beitrag unter anderem durch solistische Chanson-Einlagen, aber auch er kann aus feuchtem Holz kein Feuerwerk zaubern. Die zweite Hälfte weist denn auch einige Längen auf, bis sich alles zu dem für eine Operette obligatorischen Happy End findet. Da die Verwirrungen und Täuschungen aufgeflogen sind, entsteht auch keine Spannung mehr, und die Handlung muss irgendwie zu einem Ende gebracht werden. Dank musikalischer und tänzerischer Einlagen werden die Längen einigermaßen überbrückt, aber von einem rauschenden Abend des musikalischen Humors kann man wirklich nicht sprechen.

Frank Raudszus

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