Neil deGrasse Tyson/James Trefil: “ Fragen an das Universum“

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Die antike Vorstellung des Universums war statisch, in sich geschlossen und übersichtlich: die Erde – bereits als Kugel erkannt! – war der ruhende Mittelpunkt der Welt, um den auf verschiedenen Bahnen Sonne, Mond, die Planeten und die Sterne kreisten. Selbst die zeitweise scheinbar rückläufigen Bahnen der Planeten wurden mit viel gedanklichem Aufwand erklärt (siehe „Mathematik für die Platonlektüre„). Seit der frühen Neuzeit hat sich diese Vorstellung nicht nur radikal ins Gegenteil verkehrt – kein „Mittelpunkt“, Erde dreht sich um die Sonne, etc. -, sondern die Komplexität und Rätselhaftigkeit sowohl der Entstehung als auch der Entwicklung haben uns mit zunehmendem Wissen bis an den Rand der menschlichen Vorstellungskraft getrieben. Die beiden Autoren des vorliegenden Buches haben sich nun der Aufgabe gewidmet, dieses anspruchsvolle Thema ohne formelhafte Mathematik und Physik auch Laien näher zu bringen.

In zehn Kapiteln behandeln sie alle wichtigen Aspekte des Universums. Im ersten etwa den historischen Blick auf das Universum von der Antike bis heute, Messmethoden für Entfernungen, die Ermittlung des Weltalters, die Größe des Sonnensystems, der Milchstraße und des Universums selbst sowie eine grobe Vorstellung von der ungeheuren Anzahl kosmischer Objekte.

Im zweiten Kapitel stehen die Techniken, Werkzeuge und Verfahren zur Erforschung des Weltalls im Vordergrund. Das reicht vom frühen Fernrohr über die elektromagnetischen Spektren – Rotverschiebung! – bis hin zu neuesten terrestrischen und außer-terrestrischen Observatorien.

Das dritte Kapitel beschreibt die Entstehung des Universums aus dem „Urknall“, die wichtigsten Ereignisse der Frühzeit des Universums sowie die Entstehung einfacher und komplexerer Elemente. Auch die Entstehung der Planeten gehört dazu.

Kapitel vier geht näher auf die kosmische Hintergrundstrahlung, die Inflationstheorie sowie die dunkle Energie ein, wobei die Wissenschaftler bei jeder neuen Messung auf überraschende weil nicht erwartete Ergebnisse stießen. Mehr als einmal mussten sie ihre Theorien revidieren, was selten ohne menschliche Reibungsverluste abging.

Das fünfte Kapitel beschäftigt sich mit den chemischen Elementen und ihrer Entstehung sowie dem Aufbau der Atome bis hin zu Quarks und Strings sowie den verschiedenen Wechselwirkungen im Atomkern.

Im sechsten Kapitel steht die Entstehung des Lebens auf der Erde im Mittelpunkt. Begriffe wie RNA, Evolution und Selektion sowie extraterrestrische Lebensformen werden hier ebenso diskutiert wie das Phänomen der Intelligenz.

Letzteres Thema wird im siebten Kapitel detailliert diskutiert, wobei die Suche nach extraterrestrischer Intelligenz, deren mögliche Erscheinungsformen sowie die Wahrscheinlichkeit abgeschätzt werden.

Im achten Kapitel steigen die Autoren tief in die Quantenmechanik ein und diskutieren den Versuch der Wissenschaft, eine einheitliche Theorie für Quantentheorie und die Relativitätstheorie zu finden, die zwar beide ihre Berechtigung bewiesen haben, sich aber in wesentlichen Aspekten widersprechen. Außerdem stehen hier auch die starke und die schwache Wechselwirkung noch einmal im Mittelpunkt sowie die „dunkle Materie“ und die „dunkle Energie“.

Im neunten Kapitel betrachten die Autoren das zu erwartende Ende der Erde, des Sonnensystems und des Universums, wobei im letzteren Falle die möglichen Alternativen eines „offenen“, „flachen“ oder „geschlossenen“ Universums zur Diskussion stehen.

Das letzte Kapitel schließlich befasst sich mit der Frage des Zustands „vor dem Urknall“, lange Zeit eine unter Physikern verbotene Frage, da der Urknall angeblich erst die Zeit erschuf. Für diesen „Zeitraum“ steht jetzt eine Quantenfluktuation zur Diskussion, ebenso die Möglichkeit von unendlich vielen Multiversen, die sich zum Beispiel aus schwarzen Löchern entwickeln könnten. Aber das bewegen sich die Autoren, was sie auch offen zugeben, auf dem Feld der reinen Spekulation. Doch wo man gar nichts weiß, darf man spekulieren.

Das Buch enthält außer den gut verständlichen, geradezu „volksnahen“ Texten viele Farbillustrationen, sowohl spektrometrische Messungen als auch simulierte Bilder, die den jeweiligen Sachverhalt prägnant auf den Punkt bringen. Wer sich für dieses Thema wirklich interessiert, sollte keine schwerwiegenden Verständnisprobleme haben. Man sollte jedoch offen sein für „contra-intuitive“ Erkenntnisse.

Das Buch ist im Verlag National Geographic erschienen, umfasst 309 Seiten und kostet 29,99 Euro.

Frank Raudszus

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