Die Träume der Siebziger

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Tony Manero, ein junger Mann, fröhlich und voller Lust zu tanzen, lebt in einer Unterschichtfamilie in Brooklyn. Vater arbeitslos, Mutter verbittert, Schwester unscheinbar. Tony arbeitet in einem Geschäft für Farbenverkauf, und von dem schmalen Gehalt kauft er sich ab und zu ein schickes Hemd für seine Abende in der Disco.

Ensemble

Für diese Tanzabende lebt er. Sein größtes Ziel ist, den bekannten „Universal Disco Tanzwettbewerb“ zu gewinnen, doch dazu benötigt er eine gute Partnerin. Annette würde gerne mit ihm den Wettbewerb bestreiten, aber sie redet ihm zu viel übers Heiraten. Dann lernt er Stephanie kennen. Sie tanzt toll, und er hätte sie gerne als nicht nur tänzerische Partnerin. Aber Stephanie ist ehrgeizig, will nach oben und sich nicht mit einem verpeilten jungen Mann abgeben, der alltags mit seinen Kumpels aus der Unterschicht herumhängt.

Wie Tony es schließlich schafft, Stephanie für das gemeinsame Tanzen zu gewinnen, erzählt das Musical „Saturday Night Fever“, das derzeit im Staatstheater Darmstadt unter der Regie von Till Kleine-Möller läuft. Es erzählt aber auch von Stephanies unglücklicher Liebe, von Bobby, der unabsichtlich seine Freundin geschwängert hat und nun nicht mehr weiter weiß, von Tonys Bruder Frank, der eigentlich Priester werden wollte und sich nun als Schwuler outet, von Homeless People und anderen Problemen in Tonys Umfeld.

Das Musical ist nicht nur ein oberflächliches Tanzdrama, sondern auch ein Zeugnis der siebziger Jahre. Die Ölkrise, Inflation und die Ausläufer des Vietnamkriegs erweckten bei der Jugend eine Protestkultur, und die Antibabypille förderte die sexuelle Befreiung. Der Film „Saturday Night Fever“, der dem Musical vorausging, war damals alles andere als unterhaltsam oder gar zurückhaltend. Er problematisierte auf der einen Seite die Identitätskrise der Jugend, problematische Familienverhältnisse, sexistische sowie rassistische Angriffe und auf der anderen Seite die Suche junger Leute nach einem Sinn des Lebens.

Genau diese Themen werden im Kurzvideo am Anfang der Aufführung anhand tausender von Fotos aufgenommen, die kurz gezeigt werden, sich dann zu einer Weltkugel verdichten und schließlich zu einer Discokugel mutieren. Das ist eindrucksvoll gemacht und führt gleich in die Themen dieses Musicals ein.

Der ständiger Wechsel der sehr unterschiedlichen Bühnenbilder von María Reyes Pérez, vom miefigen Esszimmer der Familie Manero über Straßenszenen bis zum Disco-Ambiente, sorgt für Tempo, Farbe und Abwechslung. Das Orchester des Staatstheaters unter der Leitung von Michael Nündel begleitet das Geschehen auf der Bühne mit fetziger Musik, die das Publikum förmlich von den Stühlen reißt. Aber es gibt auch lyrische Passagen, wenn es um Liebes- oder Problemszenen geht.

Das Premierenpublikum zeigte sich begeistert und spendete kräftigen Beifall.

Barbara Raudszus

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