Axel Simon:“Thronfall“

Print Friendly, PDF & Email

Nachdem Gabriel Landow es im letzten Kaiserzeit-Krimi „Goldtod“ mit kriminellen Bankiers, rachsüchtigen Geschädigten und pädophilen Honoratioren zu tun hatte, wird er in dem Roman mit dem Titel „Thronfall“ in den Mahlstrom des internationalen Terrorismus gerissen, der auch schon Ende des 19. Jahrhunderts aktiv war. Allerdings füllt er die politisch nicht ganz überzeugend ausgearbeitete Geschichte mit mehreren Parallelhandlungen auf, die wenig oder nichts mit dem Hauptstrang zu tun haben.

Sein Partner Orsini, der das Budget der Detektei gerne durch Taschendiebstähle – natürlich nur bei betuchten Opfern – auffüllt, erwischt bei seinen Streifzügen zufällig ein Notizbuch mit seltsamen Zahlenkombinationen. Das wäre keine weiteren Gedanken wert, wenn anschließend nicht eine Hausdurchsuchung vermeintlicher Polizisten erfolgen würde.

Als sie ihren Fund, einen kräftigen „Finderlohn“ witternd, durch einen Strohmann im Tiergarten übergeben lassen, wird dieser erschossen. Das und die Erkenntnis, dass die – vorher kopierten – Zahlenfolgen mit geographischen Stationen der Nordlandreise des jungen Kaisers Wilhelm II. übereinstimmen, lassen Landows Spürsinn anspringen und veranlassen ihn, seine sporadischen Auftraggeber bei den für die Sicherheit zuständigen Behörden zu informieren.

Bereits vorher setzt der Autor seine Leser von einigen skrupellosen Morden im Umfeld von Waffenfabriken und an einsamen Winterwanderern in Kenntnis, ohne in jedem Fall eine Kausalität in Bezug auf die spätere Handlung mitzuliefern.

Da die Behörden die Nordlandreise ihres Wissens bestens abgesichert haben und Landow eher mit spitzen Fingern – wie einen degoutanten Gegenstand – behandeln, ist er wieder gezwungen, sich dem Bösen alleine entgegen zu stellen.

So schildert der Autor die Fahrt des Kaisers nach Norwegen auf der kaiserlichen Yacht ohne Landows Beteiligung. Der bereits im letzten Roman erwähnte Graf Eulenburg spielt hier – wie in der historischen Realität – nicht zuletzt wegen seiner homophilen Neigungen eine wichtige Rolle. Dabei wird tatsächlich ein – sehr zufälliges aber dramaturgisch erforderliches – Kaiser-Double erschossen, ohne dass diese Tat herauskommen würde, wenn da nicht ein früher Fotografie-Fan unter der Besatzung der kaiserlichen Yacht wäre, der tatsächlich zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort ist.

Als entsprechende Fotos anonym Landows Auftraggebern im Sinne einer Drohung zugespielt werden, benötigen diese dringend einen diskreten Ermittler, der die Quelle enttarnt und – wenn möglich – unschädlich macht.

Der Leser weiß dank eingestreuter Szenen aus einer revolutionären Zelle, dass es sich hier um frühen internationalen Terrorismus handelt, wobei der Autor aus unerfindlichen Gründen eine so geheimnisvolle wie schöne – und skrupellose! – Asiatin einführt, deren politischer und gesellschaftlicher Hintergrund bis zum letalen Schluss offen bleibt. Warum es gerade eine Asiatin sein muss und ob sie – wenn überhaupt – von Moskauer oder Pariser Revolutionären gesteuert wird, wird im Rahmen der Handlung nicht beschrieben. Außerdem ist es völlig unklar, wie sie die Aufenthaltsorte zweier Opfer kennen konnte, die sich selbst oder die Landow versteckt hatte. Hier bleiben viele Fäden lose hängen.

Wohl aus Gründen des zeithistorischen Kolorits lässt Simon in einer Nebenhandlung einen langjährigen Heiratsschwindler entgegen seiner Strategie ernsthaft um eine reiche Witwe mit angehängter Spielzeugfabrik werben und dabei beinahe scheitern. Hier wird etwas mit der Spielzeugentwicklung und dem Antisemitismus des ausgehenden 19. Jahrhundert gespielt, jedoch ohne jeden Bezug zur eigentlichen Handlung.

Der abschließende Showdown kommt dann etwas plötzlich und ohne wirklichen und endet mit einschneidenden, aber nicht endgültigen Folgen für Landow. Zwischendurch deutet Simon auch einmal eine Ende der Landow-Serie durch einen Rückzug ins Private an, aber irgendwann hat er oder der Verlag entschieden, die Möglichkeit einer Fortsetzung offen zu halten. Und so soll es denn sein!

Das Buch ist im Kindler-Verlag erschienen, umfasst 377 Seiten und kostet 20 Euro.

Frank Raudszus

No comments yet.

Schreibe einen Kommentar