Sebastian Lehmann: „Ich hab´s dir doch gleich gesagt, Sebastian.“

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Scherze über Namen sind zwar generell tabu, doch bisweilen liefert die Realität selbst komische Korrelationen. Wer sich noch an Sven Regeners Roman „Herr Lehmann“ erinnert, findet hier ein „alter ego“ dieser Romanfigur. Sebastian Lehmann kommt aus Freiburg und lebt in Berlin, ob im dritten schwäbischen Landesteil Prenzlauerberg, ist dem Rezensenten nicht bekannt. In dem vorliegenden Buch gibt er sich in satirisch überspitzter Weise als Gesinnungsgenosse des verpeilten Regener-Lehmanns zu erkennen. Als freier Schriftsteller und Comedian entspricht er überhaupt nicht den bürgerlichen Vorstellungen seiner Freiburger Rentner-Eltern, die das in den wöchentlichen – oder täglichen? – Telefonaten auch deutlich zum Ausdruck bringen. Die Situation wird in ihren Augen noch dadurch verschärft, dass er mit seiner Freundin – sie zumindest ist „ordentliche“ Lehrerin – in wilder Ehe zusammenlebt und als Enddreißiger immer noch keine Kinder – bzw. Enkel – in die Welt gesetzt hat.

Diese Defizite des Sohnes werden in den Telefonaten auf immer wieder variierte Weise in Szene gesetzt. Da sind die Eltern beleidigt, besorgt oder bekümmert und setzen ihren Sohn mit emotionalen Bemerkungen unter Druck, oder sie halten ihm seinen akademisch gebildeten und beruflich erfolgreichen Bruder vor Augen, der halt schon immer alles besser konnte als er. Der Autor in seiner – fiktiven? – Rolle muss sich dagegen ständig gegen die Zweifel an ihm, die sich natürlich auch auf ihn übertragen, wehren. Das tut er mit dem heldenmütigen Stoizismus des Nonkonformisten und – natürlich! – Comedians und Satirikers.

Man kann über das Verhältnis des Autors zu seinen „echten“ Eltern verschiedene Überlegungen anstellen. Falls sie wirklich noch als Rentner-Ehepaar in Freiburg leben, kommen sie in diesen fiktiven – so sehen wir sie mal – Telefonaten wirklich schlecht weg in ihrer kleinbürgerlichen – ja! – Spießigkeit. Sie müssten also sehr, sehr großzügig und selbstlos sein, um diese Überspitzungen nicht persönlich sein. Führen sie jedoch ein offensichtlich völlig anderes Leben, vielleicht sogar als getrennte Alters-Singles in Berlin, so kann man sich vorstellen, dass sie sogar ihre Ideen in dieses Buch eingebracht haben.

Wie dem auch sei, für die Leser ist das Buch auf jeden Fall recht amüsant, vor allem, wenn man als knapp vierzigjähriger Zeitgenosse ähnliche Erfahrungen macht oder gemacht hat. Doch auch die Altersklasse der Eltern kann über diese Telefonate schmunzeln, solange man sich nicht selbst in den Eltern wiederfindet. Aber so sind ja immer nur die anderen!

Das Buch ist bei Voland & Quist erschienen, umfasst 191 Seiten und kostet 16 Euro.

Frank Raudszus

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