Martin Walker: „Tète à Tète“

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In seinem vierzehnten Fall hat es der „Dorfpolizist“ Brunot mit einem alten Mord und Politik zu tun. Sein Kollege Jean-Jacques kämpft – im übertragenen Sinne – immer noch mit der unbekannten Leiche eines Mannes, der vor etwa dreißig Jahren im Périgord zu Tode kam und bis heute nicht identifiziert werden konnte. Jetzt lässt er den Kopf der Leiche lebensecht nachbilden und diese Information öffentlich verbreiten, um den Schuldigen aus seinem Schlupfwinkel zu locken. Außerdem konnte die DNA des Opfers einem kürzlich in Mali gefallenen Soldaten zugeordnet werden, wodurch sich zumindest eine Spur zu der Mutter öffnet.

Doch Martin Walker wäre nicht der Schriftsteller, der er ist, wenn er nicht ein halbes Dutzend parallele Handlungsstränge aufbauen würde. Ganz nebenbei diskutiert Brunot mit einem ins Périgord gezogenen ehemaligen englischen Geheimdienstler das Thema der „Rosenholz“-Akten, eine Liste aller von der DDR und anderen Ostblockländern im Westen installierten Spione und „Schläfern“, die nach der Wende auf verschlungenen Wegen in die USA gelangte. Natürlich erwartet der geübte Leser, dass diese historische Politkrise auch etwas mit dem aktuellen Fall zu tun hat. Doch der Recherche-Pfad von dem gefallenen französischen Soldaten zu dessen Muttern und einem großen Fest vor dreißig Jahren im Périgord gestaltet sich recht gewunden und lang, da sich Walker immer wieder den anderen Handlungssträngen widmen muss. Da ist einmal sein Hund „Balzac“, der zum ersten Mal Vater geworden ist und nun Anlass eines heftigen Wettbewerbs um die entzückenden Welpen wird. Für Hundefreunde mag das unterhaltsam sein, Krimi-Fans jedoch suchen vergeblich eine logische Verknüpfung mit dem Mordfall. Ähnliches gilt für das Essen. Die Franzosen im Allgemeinen und Brunot im Speziellen sind überzeugte Gourmets und können ihren Tag mit Einkaufen und Kochen zubringen. Walker widmet sich diesem französischen Nationalsport in allen Details, und da Brunot jeden Tag etwas kocht, werden die Ernte und Zubereitung von allen möglichen Gemüsesorten bis ins Detail erklärt. Streckenweise erinnert dieses Hörbuch an die Hörversion eines Buches über Kochrezepte.

Nun sind diese Ausflüge ins Alltagsleben bis hin zu den diversen Beziehungsproblemen natürlich ein Standardmittel der Unterhaltungsliteratur, und viele Leser bzw. Hörer lieben diese Art der epischen Wanderung durch das alltägliche Leben in „Gottes Frankreich“. Wer allerdings dieses Hörbuch unter dem Aspekt des Kriminalromans eingelegt hat, muss sich damit abfinden, dass die Kriminalgeschichte über längere Zeit verschwindet, und zwar nicht nur aus der Erzählung, sondern auch aus der Erinnerung der Zuhörer. So muss man sich denn bei jeder Wiederaufnahme der Krimihandlung erst einmal den jeweils aktuellen Stand in Erinnerung rufen. Dieses Buch liefert also keine atemlose Spannung, sondern die Beschreibung eines geruhsamen Lebens in der südfranzösischen Provinz mit viel gutem Essen und Trinken, den Marotten und Schrullen der Bewohner und ja: auch ein wenig historischen Krimiflair.

Eine andere Nebenhandlung führt zu den im Süden Frankreichs angesichts des Klimawandels zunehmenden Waldbränden. Um auch der Klimakatastrophe literarisch gerecht zu werden, schildert Walker angesichts eines akuten Waldbrands en detail die gesamte Organisationstruktur des (süd-)französischen Feuerwehr sowie die dahinter stehenden politischen Probleme und Maßnahmen, bettet sie aber durchaus in eine spannende Handlung ein.

Auf jeden Fall wird der Kriminalfall zum Schluss mit Brunots nicht geringen Hilfe und auf eine das allgemeine Gerechtigkeitsempfinden befriedigende Weise gelöst.

Das Hörbuch ist im Diogenes-Verlag erschienen, umfasst 8 CDs mit einer Gesamtlaufzeit von zehneinhalb Stunden und kostet 26 Euro.

Frank Raudszus

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