Teresa Präauer: „Kochen im falschen Jahrhundert“

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Ein Paar lebt seit einiger Zeit in einem angesagten Viertel von Wien in einer neu angemieteten Altbauwohnung. Ein erst kürzlich angeschaffter dänischer Designer-Esstisch dient als Anlass für eine Abendeinladung an einige alte Freunde. Um von vornherein literarische Distanz zu schaffen, werden die Protagonisten nur funktional benannt: die „Gastgeberin“ und ihr „Partner“, der „Ehemann“ und die „Ehefrau“ und schließlich der „Schweizer“. Alle bekleiden nicht weiter konkretisierte Positionen im akademischen oder kreativen Bereich und sind in den frühen Vierzigern. Obwohl das Gastgeber-Paar schon seit einiger Zeit umgezogen ist, zeugen noch nicht geleerte Umzugskartons von einer noch vorläufigen – oder bewusst unbürgerlichen – Wohnsituation.

Für den Abend in netter Runde hat die Gastgeberin eigens eine Designervase mit scheinbar schlichten Wiesenblumen auf dem dänischen Designer-Esstisch drapiert. Champagner ist zur Zeit „out“, stattdessen ist Crémant en vogue und soll als Aperitiv für eine lockere Stimmung sorgen. Eine Quiche Lorraine mit fein abgestuftem Salat sorgt für das leibliche Wohl. Aus den Lautsprechern ertönt dezent ausgewählte Jazz-Musik, die nur Eingeweihten etwas sagt. Schon hier charakterisiert die Autorin mit wenigen Federstrichen eine Generation, die mit vordergründiger Selbstironie unbeirrt darauf achtet, die ungeschriebenen Gesetze gesellschaftlicher „Coolness“ einzuhalten.

Die Autorin schildert den Abend in drei Anläufen. Im ersten, sehr kurzen, verläuft alles so, wie es sich die Gastgeberin vorgestellt hat, nur, um gleich abgelöst zu werden vom zweiten, in dem einzelne Gäste störende verbale oder kulinarische Eigenschaften entwickeln oder auch einfach zu spät kommen. Doch erst die dritte Version zeigt dann den wahren Verlauf, der noch drastischer verläuft und vor allem die Selbstinszenierung der Teilnehmer vorführt. Jeder und jede versucht, ein bestimmtes – natürlich progressives -, sicherheitshalber immer wieder durch halbherzige Selbstironie abgesichertes Bild von sich zu erzeugen.

Anfangs plaudert man über Alltägliches, wobei jeder darauf achtet, mit bewusst eingestreutem „name dropping“ zu angesagten intellektuellen Themen seine Reflexionsfähigkeit zur Schau zu stellen. Die im Hintergrund laufenden Jazz-Stücke und Songs entstammen genau dem derzeit gültigen Kanon und sollen eine lockere Konversation auf hohem Niveau anregen. Doch was da so locker wie beiläufig und unangestrengt aussieht, ist in Wirklichkeit eine einzige Selbstinszenierung aller Beteiligten.

Die Autorin flicht dazu immer wieder kurze Zutatenlisten zu besonderen Rezepten und kulinarische wie soziologische Rückblicke auf die Generationen der Eltern und Großeltern ein. Vor allem die Gastgeberin, aus deren Perspektive, aber nicht in Ich-Form, die Geschichte erzählt wird, rekurriert gedanklich geradezu wie unter Zwang auf die Welt ihrer direkten Vorfahren.

Mit fortschreitendem Alkoholkonsum und dem unerwarteten Eintreffen eines sich auf Europareise befindenden amerikanischen Paares, das hier unausgesprochen für den latenten Antiamerikanismus gewisser Kreise steht, wird die bis dahin aufeinander abgestimmte Gruppe der Freunde kräftig durcheinander geschüttelt, und die Handlung nimmt Fahrt auf.

Teresa Präauer versteht es in ihrem Roman, der eher als Kammerspiel à la Yasmina Reza daherkommt, mit Leichtigkeit und ironischer Intelligenz die Beziehung einer Gruppe intellektuell durchaus gehobener Mittelschichtler aufs Korn zu nehmen. Weniger das gemeinsame Essen und Trinken stehen im Vordergrund, als vielmehr die Selbstdarstellung jeder einzelnen Person. Die Inszenierung des Raums, der Möbel, der Tischdekoration sowie der im wahrsten Sinne des Wortes hingeworfenen Literaturexemplare aus den Umzugskartons und der gesellschaftlichen Stellung der Protagonisten: all das wird hier aufs Feinste in Szene gesetzt und immer wieder ironisch gebrochen. Reckwitz lässt grüßen.

So bietet der Roman ein charmantes Lesevergnügen mit unübersehbar kritisch-ironischem Grundton, das man sich auch gerne zweimal gönnt, um alle Zwischentöne zu genießen. Leicht, bunt und genießerisch wie der übrigens von der Autorin selbst gestaltete Bucheinband, aber auch erbarmungslos dekuvrierend und doch nie denunzierend, hält der Roman, was er optisch verspricht.

Das Buch ist im Wallstein-Verlag erschienen, umfasst 198 Seiten und kostet 22 Euro.

Barbara Raudszus

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