Adrian Gmelch: „Der Taxidermist“

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Die Taxidermie ist die Kunst der naturgetreuen Tierausstopfung und feierte ihren Höhepunkt im 19. Jahrhundert, als die Hand des Künstlers mangels maschineller Verfahren noch das wichtigste Werkzeug und das Publikum in Zeiten vor der Photographie geradezu gierig auf eine möglichst realistische Nachbildung exotischer Tiere war. Der vorliegende Roman greift diesen „Hype“ des frühen 19. Jahrhunderts auf und bedient sich dabei fiktionaler Personen. Damit ist der Autor frei in der Gestaltung seiner Geschichte.

Anfang des Jahrhunderts kommt Cassegrain als Sohn einer Prostituierten irgendwo in Frankreich zur Welt und wird sofort als – spätere – billige Arbeitskraft an einen Müller abgegeben. Dort wächst er als brutal ausgebeutete Hilfskraft mit vier Stiefgeschwistern auf, bis er bei einem tödlichen Ehekrach seines Chefs die Gelegenheit zum Ausbruch erhält. Vorher hat er als Halbwüchsiger noch die Schönheit der Geliebten des Müllers bewundern können, wobei er keine erotischen sondern ausschließlich ästhetische Gefühle erfährt.

Auf Umwegen kommt er in das viel besungene Paris und verfällt dann – ebenfalls ästhetisch – einer bildhübschen Prostituierten. Als er sich ihr mit diesen Absichten als zahlender Freier nähert, kommt es wegen seines sexuellen Desinteresses zum Eklat, er bringt sie im Affekt um und springt durchs Fenster. Bei der Flucht landet er in einem Keller voller ausgestopfter Tiere und wird dort von dem Taxidermisten wegen zufälligen plötzlichen Bedarfs als Hilfskraft übernommen. Vom ersten Tag an ist er fasziniert von dieser Kunst und übertrifft bald seinen Meister. Doch seine Liebe gilt weiter der Krone der Schöpfung: den schönen Frauen.

Während er durch seine Begabung den Ruf und das Einkommen seines Meisters hebt, durchstreift er weiterhin Paris auf der Suche nach den göttlichen Frauen. Wenn er eine findet, bringt er sie mit angeborener Schläue um und präpariert ihre Köpfe. Im Laufe der Zeit sammelt sich so ein halbes Dutzend perfekt wiederhergestellter Frauenköpfe in seinem sorgsam gehüteten Versteck an, während ganz Paris verzweifelt nach dem unbekannten Frauenmörder sucht.

Als er schließlich anlässlich der Teilnahme seines Meisters an der großen Londoner Weltausstellung im Jahr 1851 eine wunderschöne Inderin sieht, steht sein Entschluss fest. Er muss ihren Kopf als krönenden Abschluss in seine Sammlung einreihen. Also täuscht er einen Forschungsreise nach Indien vor und geht dort auf die Suche nach der mit einem englischen Kolonialoffizier verheirateten Frau. Den Rest wollen wir hier nicht verraten, um den Lesern die Spannung nicht zu nehmen.

Adrian Gmelch erzählt diese Geschichte mit viel Sachkenntnis sowohl über die Technik der Taxidermie als auch über den historischen Hintergrund. Seine Sprache ist lebendig und farbig und zeigt ein erzählerisches Talent. Allerdings stören ein paar schwere grammatische Fehler wie „… dem Meister der Taxidermisten, die ihm das Handwerk gelernt hatten…“ , „dem war sich Cassegrain sicher … “ oder auch „… und wiedererwarten führte es nicht zu einer Degradierung…“. Die Stellen wirken, als hätte hier kurzfristig ein Co-Autor ohne grammatische Kenntnisse mitgearbeitet. Da sollte noch einmal jemand durch den Text gehen. Letzten Angaben zufolge sind diese Fehler in der neuen Auflage bereits behoben!

Das Buch ist im Verlag Alma Edition erschienen, umfasst 442 Seiten und kostet 16,99 Euro.

Frank Raudszus

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