Rebecca Buxton & Lisa Whiting (Hg.):  „Philosophinnen. Von Hannah Arendt bis Mary Wollstonecraft.“

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Rebecca Buxton und Lisa Whiting sind Hochschullehrerinnen für politische Philosophie in London und Oxford. Für ihren Band „Philosophinnen“ haben sie 20 Philosophinnen von der Antike bis in die Gegenwart ausgewählt, um sie in ihrem Werk, ihrem zeitgenössischen Bezug und ihrer Wirkung für die Philosophiegeschichte bekannt zu machen. Der Untertitel „Von Hannah Arendt bis Mary Wollstonecraft“ ist insofern irreführend, als beide Philosophinnen zeitlich im Mittelfeld liegen, Mary Wollstonecraft lebte im 18. Jahrhundert (1759 – 1797), während Hannah Arendt für das 20. Jahrhundert steht (1906 – 1975). Vor und nach diesen beiden Frauen gab es viele bedeutende Philosophinnen, von denen mir nur wenige bekannt waren.

In chronologischer Reihenfolge werden Philosophinnen seit der Antike vorgestellt. Autorinnen sind britische Wissenschaftlerinnen, meist selbst Philosophinnen.

Die erste Frau, über die berichtet wird, heißt Diotima von Mantineia. Sie lebte in Griechenland ca. 400 Jahre vor unserer Zeitrechnung. Wir wissen über Diotima nur aus Platons „Gastmahl“, eigene Schriften von ihr sind nicht bekannt. Platon lässt Sokrates voller Bewunderung über diese Frau sprechen, die ihn, den Jüngeren, Weisheit gelehrt habe, so dass er später seine eigene sokratische Methode entwickeln konnte. Sokrates berichtet, wie sie sich mit großem Selbstbewusstsein in der Männerwelt Achtung und Gehör verschafft hat. Die Autorin appelliert an heutige Philosophinnen, das Wirken der Diotima, sei sie nun fiktiv oder real, als Weckruf zu nehmen und sich selbst mehr Gehör zu verschaffen.

So berichten die jeweils ca. 10-seitigen Texte über starke Frauen, die den Mut hatten, sich den Männern im philosophischen Diskurs zu stellen und auch Einfluss zu nehmen.

Schon früh ist die gesellschaftliche Rolle der Frau ein Thema der Reflexion, so etwa bei der Chinesin Ban Zhao (45 bis 117). In ihrer „Geschichte der Späteren Han-Dynastie“ deckt sie einen Zeitraum der Regentschaft von zwölf Kaisern ab. Sie entwirft ein Frauenbild, das zwar die Unterordnung der Frau unter den Mann fordert, gleichzeitig jedoch die geistige Unabhängigkeit der Frauen betont sowie die Auseinandersetzung mit dem Mann auf Augenhöhe. Nicht erstaunlich, dass im konservativen Backlash der heutigen chinesischen Gesellschaft Ban Zhao wieder zitiert wird.

Im Weiteren werden im Wesentlichen westliche Philosophinnen vorgestellt, viele britische und nordamerikanische. Dabei ist auch Simone de Beauvoir, deren angebliche intellektuelle Abhängigkeit von Sartre widerlegt wird. Mit Edith Stein und Hannah Arendt werden auch zwei deutsche Philosophinnen vorgestellt. Edith Steins philosophische Denkrichtung war die Frage, wie wir das Bewusstsein einer anderen Person erfassen können. Damit hat sie starke Impulse gesetzt.
Hannah Arendt wiederum hat sich mit der Frage des Antisemitismus in Europa sowie mit dem Entstehen totalitärer Herrschaft befasst.

Von den Philosophinnen der Gegenwart ist noch Azizah Y. Al-Hibri hervorzuheben, eine libanesisch-amerikanische Philosophin und Juristin. Sie hat Philosophie an der Universität in Beirut studiert, um dann in den USA zu promovieren und als Professorin zunächst Philosophie zu lehren. Sie absolvierte anschließend ein Jura-Studium und lehrt nun Rechtswissenschaft an der Universität in Richmond. Ihre Schwerpunkte sind Menschenrechte und islamische Rechtswissenschaft sowie die Gleichstellung der Geschlechter. Sie ist die erste muslimische Frau, die auf eine Juraprofessur berufen wurde.

Insgesamt ist der schmale Band eine anregende Lektüre, die Lust macht, sich mit der einen oder anderen Philosophin näher zu befassen. Es tut gut zu lesen, wie viel Frauen zur Entwicklung des Denkens und zum philosophischen Fortschritt beigetragen haben. Davon ist bisher leider noch viel zu wenig bekannt, weil die großen Namen von Männern die Leistung der Frauen in der Vergangenheit zu sehr überdeckt haben.

Allen Autorinnen gelingt es, auf wenigen Seiten die Essenz des denkerischen Ansatzes der jeweiligen Philosophin verständlich darzustellen. Alle Texte sind sehr sorgfältig von ebenfalls jeweils unterschiedlichen Übersetzerinnen ins Deutsche übertragen.

Mittlerweile gibt es verschiedene Publikationen zu Philosophinnen, so dass die Hoffnung besteht, dass uns viele Namen von Frauen in Zukunft genauso geläufig sind wie die der Männer.

Das Buch ist in der deutschen Übersetzung im Reclam Verlag erschienen. Es hat 185 Seiten und kostet 16 Euro.

Elke Trost

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