Philipp Peyman Engel: „Deutsche Lebenslügen“

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Der Autor dieses Buches kam 1983 als Sohn einer iranischen Jüdin in Deutschland zur Welt und leitet heute als Chefredakteur die „Jüdische Allgemeine“. Seine Familie floh nach der iranischen Revolution vor der pogromhaften Judenfeindlichkeit der Mullahs und glaubte, im geläuterten Nachkriegsdeutschland eine sichere Bleibe zu finden.

Dieser hoffnungsvolle Glaube an deutsche Offenheit und endgültige Überwindung des Antisemitismus könnte jedoch aus heutiger Sicht des Autors eine schwerwiegende Fehleinschätzung gewesen sein. In seinem heutigen Heimatland sieht er den Judenhass – der Begriff „Antisemitismus“ ist ihm fast zu schwach – wieder im – unaufhaltsamen? – Vormarsch. Dabei stellen für ihn nicht mehr die klassischen Rechtsextermen bzw. Neonazis das Hauptproblem dar, sondern vor allem die muslimischen Einwanderer. Den harten Kern neo-naziostischer Antisemiten sieht er zwar durchaus, doch damit konnte die jüdische Gemeinschaft seiner Ansicht leben, obwohl Wachsamkeit geboten war. Die offizielle Politik und da vor allem auch die Linken präsentierten sich über Jahrzehnte als Bollwerk gegen den Antisemitismus und proklamierten den Kampf gegen ihn und den Schutz der Juden zur Staatsraison.

Letzteres ist zwar – und das sieht auch Engel so – auf politischer Ebene immer noch der Fall, doch bei der „außerparlamentarischen“ Linken macht sich seiner Meinung nach ein zunehmender Antisemitismus bemerkbar, der sich nur vordergründig als Kritik an Israel tarnt. Wer aufmerksam die Tagespresse und andere Medien verfolgt, kann dem nur zustimmen. Da ist vom „Genozid an Palästinensern“ durch Israel die Rede, und der öffentlich skandierte Ruf „From the river to the sea“ spricht dem Staat Israel und damit seinen Bewohnern und – in letzter Konsequenz – der jüdischen Diaspora das Lebensrecht ab.

Engel und sein Ko-Autor Helmut Kuhn verzichten bei ihren Ausführungen auf jegliche vordergründige Polemik gegen die Politik oder den Islam als Religion und beschränken sich – soweit möglich – auf eine nüchterne Beschreibung der gegebenen Situation. Dabei steht Berlin-Neukölln als paradigmatischer Ort für die hasserfüllten Proteste gegen Israel und die Juden. Engel hebt mit Bezug auf verschiedene aktenkundige Übergriffe auf jüdischen Einrichtungen und Personen hervor, dass Israel als Feindbild längst nicht mehr genügt, sondern dass die einschlägigen (Migranten-)Kreise den „Juden an sich“ als zu vernichtenden Feind betrachten, mag er auch noch so weit von Israel entfernt leben und keinerlei Beziehung zur israelischen Politik pflegen.

In einem eigenen Kapitel untersucht Engel den islam(ist)ischen Judenhass, der schon in verschiedenen Suren Ur-Korans etabliert und propagiert, von den Nazis geopolitisch genutzt und geschürt und von den iranischen Mullahs neu belebt wurde. Dieser Antisemitismus ist demnach kein Gewächs der neuen deutschen Rechten, sondern originäres Eigengewächs des Islams. Die deutsche Linke leistet dabei – unfreiwillige? – Schützenhilfe, wenn sie die antisemitischen Ausschreitungen der muslimischen Migranten – Neukölln! – marginalisiert bzw. ignoriert oder gar das angebliche koloniale Opferdasein der Muslims gegen das ihrer Meinung nach historisch überschätzte Holocaust-Schicksal der Juden anführt.

Im letzten Kapitel entwirft Engel ein hypothetisches Horror-Szenario in Anlehnung an Houllebecqs „Unterwerfung“, in dem die AfD, „neue“ Linke und die Muslims die Regierungsmehrheit bilden, aus EU und NATO austreten, sich Russland anschließen und natürlich entsprechende Maßnahmen gegen die verhassten Juden bis hin zur „Remigration“ – aber wohin? – ergreifen. Engel räumt ein, dass dieses Szenario derzeit nicht realistisch und eher eine makabre Vision sei, die man aber leider nicht als „unmöglich“ betrachten könne. Er hofft, dass dieser Fall nie eintritt, und wir hoffen mit ihm.

Dieses Buch sollte in Deutschland Pflichtlektüre werden. Es ist im Deutschen Taschenbuch-Verlag (dtv) erschienen, umfasst 191 Seiten und kostet 18 Euro.

Frank Raudszus

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