Datterich in Venedig

Print Friendly, PDF & Email

Die „Hessische Spielgemeinschaft“ hat sich ursprünglich mit Mundartstücken der Region profiliert, etwa den „Datterich“, im Laufe der letzten Jahre jedoch das „Heiner-Deutsch“ auch ausländischen Komödien verordnet. Das ist theaterpolitisch durchaus legitim, denn in den meisten Komödien geht es um die sprachinvarianten menschlichen Schwächen. Dieses Jahr steht das Stück „Volpone“ des englischen Autors Ben Jonson (1572-1637) auf dem Programm, das sich die Habgier in Form der Erbschleicherei aufs Korn nimmt.

Ensemble

Auf der Terrasse des Staatstheaters Darmstadt hat man ein fast spektakulär zu nennendes Bühnenbild mit Drehbühne, Musikpavillon und großen Sichtschirmen aufgebaut, das seine optische Botschaft über den Büchnerplatz bis in die nahe Innenstadt versendet. Schon vor der ersten Szene mischt das kostümierte Ensemble das Publikum auf, wie es wohl auch die Schauspielgruppen der Comedia dell´arte taten. Einer lockt Zuschauer als lebende Zielscheibe zwischen platzenden Ballons auf die Bühne, die andere dreht Küsschen werfend auf dem Einrad ihre Runden, ein Zauberer führt misslingende Tricks vor und andere winken und singen ins Publikum. Dann ordnen sich alle und es beginnt.

Karin Heist als Diener Mücke

Volpone (Yvonne Raftopoulo), zu Deutsch Herr Fuchs, und sein Diener Mücke (Karin Heist) wollen die Gier ihrer Mitbürger zu eigenen Zwecken zu nutzen. Volpone stellt sich schwerkrank, und Mücke verbreitet die Kunde von seinem baldigen Tod. Gleich kommt der Notar Geier (Oliver Noweck) in rührender Sorge und mit wertvollem Geschenk, um das Testament mit hoffentlich seinem Namen darauf zu beglaubigen. Doch seine Konkurrenten schlafen nicht. Der Adlige Rabe (Jürgen Völger) sieht sich ebenfalls als Alleinerbe und beehrt den vermeintlich Sterbenden mit wertvollen Perlen und heuchlerischen Gesundheitswünschen. Da kann der cholerische Kaufmann Krähe (Thomas Schüler) nicht zurückstehen, schließt seine hübsche Jung-Frau Celia (Annika Grüschow) zu Hause ein und eilt samt Geschenk ebenfalls zu Volpone. Mücke muss dafür sorgen, dass die drei sich nicht treffen und sich jeder als potentieller Alleinerbe fühlen können. Da die erste Runde so schön geklappt hat, leiten die beiden sofort eine zweite ein, in der Rabe seinen Sohn Leo (Jörg Friedrich Schmidt) enterbt und Krähe sogar seine Frau trotz seiner stadtbekannten Eifersucht zum Schäferstündchen bei Volpone abliefert, da dieser laut Mücke nach dem Liebesspiel mit Sicherheit einen Herzanfall erleiden wird.

Yvonne Raftopoulo und Karin Heist

Es könnte so schön laufen für die beiden Schlitzohren, wenn nicht der erboste Leo zur falschen Zeit am falschen Ort einträfe und Volpone mit Celia inflagranti erwischte. Nun geht alles drunter und drüber, jeder geht jedem an die Gurgel, und der Richter (Ralf Hellriegel) muss die Schändungsklage gegen Volpone verhandeln, wobei Notar Geier als „guter“ Jurist die Tatsachen so kunstvoll verdreht, dass Volpone freikommt. Doch da er nicht genug bekommen kann, fällt Mücke schließlich noch eine geniale Idee ein, die aber nur ihm Vorteile verschafft…..

Das Ensemble der Spielgemeinschaft bringt diese schlichte Handlung unter der Regie von Judith Kuhnert mit ihren festgelegten Archetypen mit Schwung und einigem Witz auf die Bühne. Natürlich ist bei dieser Art Komödie die Handlung stets vorhersehbar, und neue Erkenntnisse ergeben sich nicht. Doch dieses Theater schaut man sich auch nicht wegen tieferer gesellschaftlicher Einsichten an, sondern wegen der Situationskomik und der deftigen Darstellung allzu menschlicher Schwächen. Die Musik an Vibraphon und Saiteninstrument schafft darüber hinaus eine fast authentische früh-neuzeitliche Atmosphäre, so dass man sich leicht um einige hundert Jahre zurückversetzt fühlt. Ein schöner Spaß an einem sommerlichen Abend.

Das Publikum empfand das auch so und spendete freundlichen Beifall.

Frank Raudszus

No comments yet.

Schreibe einen Kommentar