Was bewegt Schauspieler(innen)?

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Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „An der Bar…..“ des Staatstheaters Darmstadt saßen am Mittwoch, dem 15. Januar 2020, die junge Schauspielerin Anabel Möbius aus dem Darmstädter Ensemble sowie das städtische Faktotum Aurora DeMeehl auf den „heißen Stühlen“ der Moderatorin Lina Zehelein in der Bar der Kammerspiele.

„Drag Queen“ Aurora DeMeehl

Wir bezeichnen Autora DeMeehl hier bewusst als „Faktotum“, weil sie sich selbst einen schillernden Gender-Anstrich verpasst hat. Als Jochen Werner vor etwa einem halben Jahrhundert im Odenwald geboren, hat er/sie schon als Jugendliche(r) eine Vorliebe für weibliche Rollen entdeckt und irgendwann beschlossen, nur noch in Frauenkleidern, mit weiblicher Perücke und entsprechendem Makeup aufzutreten. Und das nicht nur in der fiktiven Welt des Theaters, sondern in aller Öffentlichkeit, unter anderem als Stadtführerin. So kann man sie – im Folgenden sprechen wir sie nur noch als Frau an – des Öfteren im Stadtteil Bessungen mit einem Kreis interessierter Gäste sehen, die förmlich an ihren Lippen hängen. Aurora Demeehl geht mit ihrer Neigung offensiv, aber nicht aggressiv um, und bringt sich auch ohne Scheu mit dem Begriff „Drag Queen“ in Verbindung. Auf sympathische Weise betrachtet sie sich als normale Mitbürgerin, die sich nicht gegen die „Normalos“ abzugrenzen versucht. Ihr unverwüstlicher Humor und ihr „Schlappmaul“, wie der Darmstädter ein direktes und bisweilen freches Mundwerk nennt, macht sie bis auf ganz wenige Ausnahmen zu einem äußerst beliebten Darmstädter – eben! – Faktotum.

Schauspielerin Anabel Möbius

Anabel Möbius stammt aus einem bürgerlichen Bildungshaushalt und gehört damit nicht zu der Spezies, die sich gern mit ihrer niederen Herkunft brüstet. Treffend erzählt sie, wie ihr ihr Vater – Sprachwissenschaftler – schon früh den badischen Fragesatz „weischt?“ zugunsten eines korrekten „weißt Du?“ ausgetrieben hat. Anabel Möbius zeigt eine große Offenheit gegenüber dem Publikum, sowohl hinsichtlich ihrer Herkunft, ihrer Einstellungen und ihrer Motivation, eine Einstellung, die ihr auf der Bühne sehr zugute kommt und ihr beim Theaterpublikum eine hohe Beliebtheit eingetragen hat. Dass sie für die meisten ihrer Rollen – auch hier! – viel Lob erhält, folgt fast schon zwangsläufig aus ihrer frischen, offenen und beredten Art.

Moderatorin Lina Zehelein

Die Theaterpädagogin Lina Zehelein sorgte für eine lebendige Moderation, wozu auch ihre ausgeprägte Gestik beitrug. Sie verzichtet auf die nüchterne Neutralität eines professionellen Interviewers, und die bohrend-investigative Art mancher Talkshow-Moderatoren ist ihr fremd. Sie lebt und leidet mit ihren Gästen, und man erkennt, dass sie ihren Theaterberuf liebt und mit vollem Herzen lebt. Doch vermeidet sie den Fehler vieler Moderatoren, ihren Gästen Antworten in den Mund zu legen oder gar für sie das Sprechen zu übernehmen. Sowohl Anabel Möbius als auch Aurora DeMeehl kamen ausgiebig zu Wort und erzählten auf lebendige Weise aus ihrem Leben und über ihre Motivation für ihren jeweiligen Werdegang.

Das einzige, was man den beiden Talkshow-Gästen vielleicht ein wenig vorwerfen konnte, war die Übereinstimmung. Sowohl bei menschlichen wie auch bei gesellschaftlichen oder gar politischen Themen waren sie sich weitgehend einig, so dass keinen Augenblick so etwas wie eine Konfrontation oder hitzige Diskussion aufkam. Nun kann man von keinem Talkshow-Gast verlangen, dass er nur um des Effektes willen die Konfrontation sucht, aber etwas mehr Reibungswärme wäre bei diesen Interviews schon wünschenswert. Gerade Aurora DeMeehl, die für ihr „Schlappmaul“ (s.o.) bekannt ist, hielt sich vor allem anfangs sichtlich zurück und wirkte eher „staatstragend“. Offensichtlich geschah das aus Rücksicht auf ein unbekanntes und daher nicht einschätzbares Publikum.

Dennoch war es ein gelungener Abend, den Aurora DeMeehl noch mit einem Lied zur Begleitung ihres Klavier spielenden Mannes vortrug, das einem alten Schlager einen neuen, frechen Text verlieh.

Die nächste Veranstaltung dieser Reihe findet am 13. März statt.

Frank Raudszus

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