Musikalischer Bogen von Mozart bis Mahler

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Ein gegensätzlicheres Programm für ein Sinfoniekonzert hätte sich GMD Daniel Cohen kaum aussuchen können: erst Wolfgang Amadeus Mozarts vor Lebensfreude sprühendes Klavierkonzert Nr. 12 in A-Dur und anschließend Gustav Mahlers melancholischer Abgesang auf die Welt – das „Lied der Erde“. Doch gerade diese Gegensätze bauen Spannung auf, und so war es auch an diesem Juni-Sonntag.

Fazil Say

Für das Mozart-Konzert stand Fazil Say zur Verfügung, der im 10. Kammerkonzert vor nur drei Tagen unter anderem Beethoven und Schubert interpretiert hatte. Nun also den dritten Klavierheroen der Klassik! Fazil Say ging dieses Konzert so an, wie er mit Schuberts B-Dur-Sonate aufgehört hatte. Vom ersten Takt des Klaviers an bestach er nicht nur durch große Spielfreude, sondern vor allem durch seine durchaus eigenwillige Interpretation. Das heißt nicht, dass er die übliche Mozart-Sicht vollständig gegen den Strich gebürstet hätte, aber er brachte seine eigene, impulsive Haltung zur Musik ein. Zupackend und prägnant gestaltete er bereits den ersten Satz und setzte eigene Akzente. Manche musikalischen Figuren, die sonst nicht weiter auffallen, wertete er durch Verzögerung oder durch unerwartete, „kleine“ Fermaten auf und ließ sie auf diese Weise kurz im Raum stehen. Dirigent Daniel Cohen hörte genau zu und ging mit dem Orchester elegant auf diese gezielten Eigenwilligkeiten ein. Obwohl Fazil Say auch als Jazz-Liebhaber bekannt ist und man ihm durchaus zutrauen kann, solche Einfälle spontan umzusetzen, darf man im Zusammenspiel mit einem großen Orchester wohl annehmen, dass dies in der Generalprobe abgesprochen wurde. Auf diese Weise entlockte er Mozarts Konzert immer wieder neue Ausdrucksvarianten bis hin zum – verhaltenen – musikalischen Witz. Das Publikum reagierte denn auch mit Schmunzeln oder angedeutetem Lachen. Da Mozart bekannterweise selbst ein großer Witzbold war, wirkte Fazils – sich immer noch im Rahmen haltende – eigenwillige Interpretation stimmig. Man muss sich Mozart bei seinen Akademien als Pianist wie Fazil Say vorstellen.

Nach dem kräftigen Beifall des gut gefüllten Großen Hauses fügte Say noch eine ausgedehnte Zugabe aus dem eigenen Werkfundus an, ähnlich wie im Kammerkonzert. Das Publikum verabschiedete den Künstler mit stehenden Ovationen.

Lena Sutor-Wernich

Gustav Mahlers „Lied der Erde“ ist eine Klage über den Zustand der Welt und ein Abschied zugleich. Ein Tenor (Peter Sonn) und eine Alt-Stimme (Lena Sutor-Wernich) interpretieren abwechselnd zur Orchesterbegleitung sechs von Hans Bethge aus dem Chinesischen ins Deutsche übersetzte Texte. Die Titel lauten „Das Trinklied vom Jammer der Erde“, „Der Einsame im Herbst“, „Von der Jugend“, „Von der Schönheit“, „Der Trunkene im Frühling“ und „Der Abschied“. Trotz der Singstimmen handelt es sich hier in erster Linie um Orchesterstücke, die durch Gesang angereichert sind. Die Titel geben dabei die Grundstimmung vor, die einerseits zu Mahlers persönlicher Lage – künstlerisch, privat und gesundheitlich – sowie zur gesellschaftlich-politischen Lage passte. Verzweiflung und Resignation werden nur selten durch Aufbegehren oder den Wunsch nach Trunkenheit unterbrochen.

Peter Sonn

Mahler intoniert diese schwermütige Stimmung in seiner bekannten Manier bis ins feinste Detail und lässt dabei alle Instrumentengruppen ihre besonderen Stärken ausspielen. Die Flöten klagen ein einsam´ Lied, dann wieder schöpfen die Klarinetten mit ihrem warmem Ton ein wenig Hoffnung, um von den hellen, klaren Oboen in die Realität zurückgeholt zu werden. Den harmonischen Teppich dazu liefern die Streicher. Dabei spielen jeweils nur kleine Gruppen, so dass einerseits die Singstimmen nicht übertönt und andererseits die endzeitliche Stimmung nicht durch zu viele Tutti konterkariert wird. So tritt der fast paradoxe Fall auf, dass trotz großer Mahler-Besetzung immer ein Hauch von Kammermusik durch den Saal schwebt. Lena Sutor-Wernich und Peter Sonn trugen ihre Texte mit viel Gespür für deren Tiefgründigkeit vor, ohne jedoch in falsches Pathos zu verfallen. Bisweilen übertönte das Orchester den Gesang, vor allem in den expressiven Passagen, aber das waren Einzelfälle. Die Gesangspartien wirkten wie Lotsen im Meer der Musik, und wer die Texte im Programmheft mitlas, konnte gut die Kongruenz zwischen Worten und Klängen nachvollziehen.

Das Publikum zeigte sich von diesem nicht gerade sommerlich-heiterem Werk sehr angetan und spendete kräftigen Beifall.

Frank Raudszus

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