Steffen Schroeder: „Planck oder Als das Licht seine Leichtigkeit verlor“

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Der 2022 bei Rowohlt erschienene biographische Roman „Planck oder Als das Licht seine Leichtigkeit verlor“ von Steffen Schroeder wirft ein Schlaglicht auf die Physiker Max Planck und Albert Einstein sowie auf den Mediziner Ferdinand Sauerbruch in der Zeit vom 4. Oktober 1944 bis zum 16. Mai 1945.

Schroeder zeigt, wie unterschiedlich sich die Lebenssituationen der drei Größen der Wissenschaft kurz vor Ende des Naziregimes darstellen. Um die drei Persönlichkeiten herum ordnet Schroeder wichtige Personen ihres näheren Umfelds an, die weiteren Aufschluss über ihre Lebenssituationen und auch über ihre menschlichen Qualitäten geben.

Entsprechend wechseln die Orte. Max Planck und seine Frau Marga sind in das Dorf Rogätz bei Magdeburg evakuiert worden. Sein Sohn Erwin, verhafteter und zum Tode verurteilter Widerstandskämpfer, sitzt im Gefängnis Berlin-Tegel ein. Das Verhör Erwins und dessen Verurteilung durch Freisler finden im Volksgerichtshof zu Berlin statt. Erwins Frau Nelly lebt in Berlin, sie arbeitet als Ärztin an der Charité bei Sauerbruch.

Albert Einstein ist in Princeton in den USA. Sein Sohn Eduard lebt in der psychiatrischen Klinik „Burghölzli“ in Zürich; bei ihm ist eine Schizophrenie diagnostiziert worden.     

Der Schwerpunkt der Erzählung liegt auf dem 87-jährigen Max Planck. Schroeder beleuchtet, wie sich Max Planck zum Nationalsozialismus verhalten hat. Ihm geht es darum, die inneren Kämpfe nachzuvollziehen, die sich in Max Planck abgespielt haben müssen. Nachdem er lange geglaubt hat, sich als Wissenschaftler aus der Politik heraushalten zu können, und das auch anderen empfohlen hat, holt ihn jetzt sein Lavieren ein. Er wird aufgefordert, in einer Broschüre einen Beitrag mit einem Bekenntnis zu Hitler zu verfassen. Das bringt ihn in eine Gewissenskrise als jemand, der einerseits dem Gehorsam verpflichtet ist und sich in keiner Weise zum Rebellen eignet, der aber andererseits die Unmenschlichkeit des Regimes nun hautnah mit der Verurteilung seines eigenen Sohnes erfährt. Für ihn ist es offenbar ein großer Schritt, diesen Beitrag abzulehnen, nachdem er sich in früheren Jahren durchaus vom Regime hat hofieren lassen und sogar das erforderte Bekenntnis zum Führer unterschrieben hat.

Schroeder zeigt Max Planck als Familienmenschen, der mit großer Liebe an seinen Kindern hängt, insbesondere – nach dem Tod des ältesten Sohnes und der beiden Töchter – an dem erfolgreichen Sohn Erwin. Mit ihm verbinden ihn die Liebe zur Musik und das gemeinsame Wandern.

Entsprechend versucht er alles, um die Begnadigung seines Sohnes zu erreichen. Er verfasst geradezu  unterwürfige Briefe an einflussreiche Nazigrößen, scheut nicht einmal davor zurück, Hitler persönlich aufzusuchen.
Mit der Schwiegertochter Nelly verbindet ihn die Liebe zu Erwin.

Erwin selbst erleben wir als Leserinnen in seinen letzten Monaten im Gefängnis. Wir lernen einen hochsensiblen, musischen Menschen kennen, der sich aufgehoben fühlt in der Liebe seiner Frau, wie spärlich auch die briefliche Kommunikation sein mag. Das höchste Geschenk zum Hochzeitstag ist ein Pyjama, der nach ihr duftet und ihn zu einem Pyjama-Tanz veranlasst. Der immer sichereren Hinrichtung blickt er zunehmend gefasst entgegen.

Seine Frau Nelly setzt ebenfalls alle Hebel in Bewegung, um ihren Mann zu retten.
Über sie bekommen wir auch einen Einblick in das Wirken Sauerbruchs an der Charité. Er wird einerseits als der begnadete Chirurg geschildert, der jedoch andererseits am OP-Tisch äußerst autoritär mit seinem Personal umgeht, um sich dann nach getaner Arbeit dafür zu entschuldigen. Als Persönlichkeit bildet er damit einen deutlichen Kontrast zu dem milden und ausgleichenden Max Planck. Ähnlich wie Max Planck hat jedoch auch Sauerbruch sich mit dem Regime arrangiert, obwohl jeder in seinem Umfeld weiß, dass er den Nazis ablehnend gegenüber steht. Die Arbeit rangiert für ihn offenbar vor einem politisch eindeutigem Bekenntnis, was bedeutet hätte, Deutschland verlassen zu müssen.
Auch Sauerbruchs Sohn ist im Zusammenhang mit dem Attentat vom 20. Juli 1944 verhaftet worden, denn er war mit Stauffenberg befreundet. Offenbar hat Sauerbruch bessere Kontakte zu den Nazigrößen als Max Planck, denn sein Sohn wird aus der Haft entlassen.

Wie sehr für Schroeder die menschliche Seite der drei Persönlichkeiten im Vordergrund steht, zeigt sich an seiner Darstellung von Albert Einstein.

Albert Einstein lebt und forscht inzwischen an der Princeton University. Schroeder stellt ihn als einen Mann dar, der an keinem Frauenrock vorbeigehen kann, der seine erste Frau Mileva genauso betrügt wie seine zweite Frau Elsa. Deshalb ist es offenbar auch leicht für den russischen Geheimdienst, Spioninnen auf ihn anzusetzen. Treu scheint er nur seinen etwa dreißig Katzen zu sein.

Aus der Sicht des Sohnes Eduard ist der Vater völlig gleichgültig, was das Leben seiner Kinder anbetrifft. Der Sohn leidet darunter, dass der Vater nach der Trennung der Eltern und auch nach seiner Hospitalisierung so gut wie keinen Kontakt zu ihm aufgenommen hat. Schroeder vermittelt den Eindruck, dass der Vater Einstein für die psychische Erkrankung des Sohnes verantwortlich ist. Nebenbei erhalten wir einen kleinen Einblick in die psychiatrischen Methoden der damaligen Zeit.

Insgesamt erscheint Einstein bei Schroeder als ein Mensch mit geringem Verantwortungsgefühl für seine Familie und für die Menschen seines Umfeldes, wenngleich er Flüchtlingen aus Nazi-Deutschland bei der Einreisegenehmigung in die USA hilft, so viel er kann.

Der Roman endet mit der „Entführung“ Max Plancks und seiner Frau Marga durch die Amerikaner nach Göttingen.  Die Amerikaner befürchten, dass der alte Herr für die herannahenden Sowjets mit seinem großen Wissen noch eine interessante Beute sein könnte.

Schon während der Lektüre des Romans habe ich mich gefragt, welchen Erkenntniswert die Erzählung dieses kleinen Ausschnitts aus dem Leben der drei Persönlichkeiten für mich hat, der über die Informationen bei Wikipedia hinausgeht. Ist es wirklich wichtig für mich zu wissen, wie sich Max Planck in dem Dörfchen Rogätz gefühlt haben mag oder dass Einstein ein Frauenheld war? Eigentlich nicht.

Muss ich Schroeders Vorstellungen von dem Innenleben einer zum Tode verurteilten historischen Persönlichkeiten kennen?

Es ist die grundsätzliche Schwierigkeit des biographischen Romans, dass offen bleibt, wie viel an der Darstellung historisch belegt ist und wie viel Fiktion ist.

Hinzu kommt, dass es bei Schroeder sehr menschelt, während das wissenschaftliche Wirken Max Plancks und Einsteins wie auch Sauerbruchs nur am Rande erwähnt wird. Mir stößt der moralische Zeigefinger auf, der kritisch auf Einstein zeigt, während Max Planck als menschlich integer erscheint, obwohl er sich durch Nazi-Deutschland durchlaviert hat. Nahe am Kitsch ist zudem die Szene im Gefängnis, als Erwin mit dem nach seiner Frau duftenden Pyjama tanzt. Das ist wohl Liebe.

Was bleibt also? Ich habe mich, bevor ich diesen Text geschrieben habe, zu Wikipedia begeben und mich informiert, soweit mir das möglich war. Was diese drei Koryphäen ihres Faches wissenschaftlich geleistet haben und wofür sie zurecht berühmt sind, erschließt sich mir als Philologin in der Sache leider nicht, hier kann ich nur demütig meine Grenzen sehen. Da hilft auch nicht der Einblick in deren persönliches Leben.

Die Information bei Wikipedia relativiert auch Schroeders negatives Bild von Einsteins Rolle als Vater. Dort heißt es, es sei eine Legende, dass Einstein sich um seine Söhne nicht gekümmert habe und so gut wie keinen Kontakt gehabt habe. Es bleibt die Frage, was stimmt.

Zudem bin ich zunehmend über die achtlose Sprache bei Schroeder gestolpert, die sich zum Beispiel in der Häufung von in der Luft hängenden „wobei-Sätzen“ zeigt, wo eigentlich ein Hauptsatz hätte stehen müssen, ganz abgesehen von Wortscheußlichkeiten wie „schlussendlich“ oder „nichtsdestotrotz“. Hier hätte das Lektorat sorgfältiger arbeiten müssen.

Wer sich jedoch für biografische Romane interessiert, der mag das Buch vielleicht durchaus mit Gewinn lesen. Mir wäre eine gut recherchierte Biographie lieber. Und recherchiert hat Schroeder offenbar gründlich, wie aus seinen Danksagungen ersichtlich wird.

 Das Buch ist im Rowohlt Verlag erschienen, es hat 318 Seiten und kostet 22 Euro.

Elke Trost

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